Durch die laue Julinacht spazieren, die fast gerundete Mondscheibe am gestirnten Himmel anschmachten und zu unseren Füßen daran gemahnt werden, dass wir politische Wesen und nicht alleine auf der Welt sind. So kann es sein, so war es auch. Mit Kindermalkreide haben zwei Frauen eine Nachricht auf die Bürgersteige geschrieben. Es können aber nicht nur zwei gewesen sein oder sie waren enorm fleißig. Überall kann man heute lesen, wohin man sich wiederum heute um 18.00 bewegen muss. Und übrigens, heute ist auch noch um 22.20 totale Mondfinsternis. Ganz nett was los, heute.
Unsere Mitbewohner heiraten im Juni in
Aserbaidschan und da brauche ich einen neuen Pass, der alte ist seit dem 17.03.1998 abgelaufen. Ich werde also Abschied nehmen müssen von dem meinem abgewetzten Reisepass mit dem ochsenblutroten Stoffeinband und den DDR-Stempeln und einen neuen ochsenblutroten bekommen. Offiziell ist der Einband bordeauxrot, genauer ist er seit 1988 im RAL-Farbton 4004 Bordeauxviolett gehalten, das ist europaweit für alle Pässe so und soll die Zusammengehörigkeit der Europäer stärken. Ich kann bald in 176 Länder visafrei einreisen, aber nicht nach Aserbaidschan.
Es ist kalt draußen. Ich warte eine relative Erwärmung der Außentemperaturen durch die Sonne ab und bin um 13.15 im Bürgerbüro. Scheinbar sind alle auf die gleiche Idee gekommen, jedenfalls ist der Wartebereich des Bürgerbüros voller Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Welt. Das Bürgerbüro ist auch nicht mehr dort, wo es da letzte Mal war. Es ist umgezogen. Es gibt keinen Automaten mehr, an dem man seine Nummer ziehen kann, um irgendwann aufgerufen zu werden; dafür stehe ich jetzt in einer langen Schlange, um mir eine Nummer am Eingangsschalter abzuholen. "Einen neuen Pass wollen Sie beantragen, das Foto haben Sie ja dabei:" Nein, ich habe auf den Automaten gehofft, den es immer im Bürgerbüro gab, aber der ist auch abgeschafft worden. Also stürze ich mit meiner Nummer 1707 nach draußen, in die nächste Drogerie und lasse mich ablichten.
"Neulich im Bürgerbüro" vollständig lesen
Die Dame mit östlichem Akzent ruft offensichtlich aus einem Callcenter an. Sie möchte eine Frau Salm sprechen. Frau Salm bin ich. "Ja, bitte schön?"
"Ein Anruf aus Berlin" vollständig lesen
Als ich* vor 37 Jahren zum ersten Mal in Kassel auf einer Karnevalsparty beim Studentenpfarrer eingeladen war, bin ich fröhlich gestimmt und als „alts Schächtele“(zu Deutsch: alte Schachtel) verkleidet schwungvoll in die Gesellschaft reingeplatzt, auf die Leute zugestürzt, habe mein Späße getrieben, bis ich bemerkte, dass die Männer sich angemacht fühlten und die Frauen böse guckten. Ich schaute mich verunsichert um, suchte ein Eckchen und beobachtete von dort aus einer Art Trauerfeier mit Pappnasen. Aus der Ecke arbeitete ich mich Schritt für Schritt in Richtung Ausgang und verschwand nach einer Stunde unauffällig. Nie wieder gehe ich in Nordhessen auf eine Karnevalfeier, habe ich mir damals geschworen und das habe ich auch eingehalten. Ich bin Süddeutsche, ich komme vom Bodensee, wo der Karneval Fasnet heiß und wo man weiß, was sich gehört. Wirklich Blödsinn machen und feiern, feiern, feiern. Dass man jeden und jede anquatscht und völlig Verdrehtes von sich gibt, ist völlig normal. Und viel Theater machen gehört dazu und ordentlich laut singen, so was wie: „Hoorig, hoorig, hoorig isch die Katz, und wenn die Katz it hoorig isch, dann fängt sie keine Mäuse nicht,“ und tanzen wie der Lump am Schtecke und trinken.
Mein Vorsatz hat bis vorgestern gehalten.
"Schurri, Schurri" vollständig lesen
Filmladen Kassel zeigt in Kooperation mit den Kasseler Grünen zum „Internationalen Tag der Menschenrechte“ eine
Deutsche Kinopremiere in Anwesenheit des Regisseurs und Kameramanns George Kurian.
Über 60 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht und ihre Fluchtwege sind meistens riskant und lebensgefährlich. Wie etwa die Route über das Mittelmeer. Menschenschmuggler verkaufen Plätze auf alten, schrottreifen Segelbooten oder Gummibooten zu horrenden Preisen und überlassen die Menschen dann sich selbst.
Der Dokumentarfilm THE CROSSING – DIE UEBERFAHRT erzählt in eindringlichen Bildern die Geschichte einer solchen Flucht, ohne plakativ oder reisserisch zu sein.
"THE CROSSING – DIE ÜBERFAHRT von George Kurian SONNTAG, 10.12.2017 um 11.30 Uhr im Filmladen" vollständig lesen
Von den schrägen Vögeln und der Joggerin
Im Weiher steht ein Graureiher unbeweglich auf dem Ast eines umgestürzten Baumes. Ich bleibe stehen und schaue ihn an. Lange schaue ich ihn an. Er bewegt nur einmal elegant eine Zehe. So sein können: unbeweglich, ziellos, wie für die Ewigkeit und trotzdem am Leben.
"Neulich unterwegs im Park Schönfeld" vollständig lesen
Nachlese zum 34. Kasseler Dokumentarfilm - und Video Fest:
Vor dem Frauenklo im Gloria hat sich eine kleine Schlange gebildet. Der Andrang ist bei Frauen normalerweise nach Filmen immer groß. Nach manchen Filmen stehen die Zuschauerinnen stumm vor abgeschlossenen Klotüren. Heute wird sich unterhalten. " Ich musste so aufpassen, dass ich nicht loschluchze. So ...", sie führt ihren inneren Kampf mimisch vor. Ausnahmslos alle Frau stimmen zu. Ergreifend, rührend, hoffnungsvoll und noch ein paar Adjektive mehr werden verteilt. Der Film geht über Kinder und Musik und um die Wirkung der musikalischen Leidenschaft.
"Schniefend in der Warteschlange - Die Riahi Brothers rühren mit ihrem Film "Kinders" zu Tränen" vollständig lesen

Rainer Ehrenpreis von der Schweibenalp (Schweiz) spricht mit uns über Leben in Gemeinschaft. Er lebt seit 39,5 Jahren in größeren Zusammenhängen und kann darüber berichten, was Gemeinschaft ausmacht und wie sie zustanden kommt. Über die Abgründe, die Höhenflüge, das Berauschende, die freie Sexualität und die Ökonomie, haben wir uns vorgenommen zu sprechen. Wo wir hinkommen, ist auf jeden Fall
heute, Sonntag, 12.11.2017, 18-19 Uhr im Freien Radio Kassel zu hören. Die Musik spielt diesmal live.
Wdh. am Montag 10 h, es wird gepodcasted werden.
Irena Haiduks Schuhe und ich - 3.Folge
Heute habe ich einen freien Tag. Einen freien Tag haben heißt nicht, dass ich frei bin, sondern dass ich zuhause am Schreibtisch sitze. Obwohl mich niemand dazu zwingt, theoretisch könnte ich einen Tag auf der Bank an der Haltestelle sitzen, Tee trinken und zuschauen. Praktisch aber verfertige ich eine Liste mit Aufgaben, die ich erledigen will, soll, muss.
"Selbstversuch mit Kunstobjekt" vollständig lesen
Irena Haiduks Schuhe und ich - 2. Folge
Ich nehme sie mit zur Arbeit. In der Fahrgemeinschaft wird heftig diskutiert. "Lohnarbeit ist Sklavenarbeit" kommt es von der Hinterbank. Diese Abhängigkeit, dieses Müssen, dieses Nicht-Frei-Sein, nicht das tun können, was man möchte, sondern das, was man muss, das sei das Schreckliche an der Lohnarbeit. Und dieser Zwang, das einzuhalten, was Andere einem vorschreiben, ob es sinnvoll ist oder nicht. Das
bedingungslose Grundeinkommen kommt ins Spiel.
"Selbstversuch mit Kunstobjekt" vollständig lesen
Irena Haiduks Schuhe und ich - 1. Folge
Eine Nacht habe ich darüber geschlafen. Oben in der neuen neuen Galerie in der alten Hauptpost lässt Irena Haiduk Schuhe verkaufen. Das sind Schuhe, die von der Borovo-Schuhfabrik in
Vukovar produziert werden. Das kroatische Vukovar liegt direkt an der
Grenze zu Serbien, an der Donau.
"Selbstversuch mit Kunstobjekt" vollständig lesen
Wir sitzen zu lange am Küchentisch, es schmeckt gut, wir haben uns viel zu erzählen. Rein ins Taxi, vor der AOK ausgestiegen und den Berg runter gerannt. 1 Minute vor dem offiziellen Beginn stehen wir Vier im Kulturzelt, freie Plätze sind kaum zu sehen. „Kann ich mich zu Ihnen setzen?“
"Neulich an der Drahtbrücke" vollständig lesen

Von der Frau und dem Mann und der Zuhörerin
"Neulich am Bebelplatz" vollständig lesen

Wenn Frau Salm früh morgens in den Wald geht, sieht und hört sie Folgendes:
"Ein Weiblein geht im Walde" vollständig lesen

Wenn Herr Reuter in aller Frühe durch den Wald geht, sieht er Folgendes:
"Ein Männlein geht im Walde" vollständig lesen
Eine Kritik des Fünfpersonenstücks von George Nowak im Theaterstübchen.
Charlie Parker war ein Saxophonist und Komponist, der den Jazz richtungsweisend beeinflusste. Als Miterfinder des Bebops und herausragender Musiker, wurde er berühmt für sein schnelles Spiel, seine Dissonanzen und Rhythmusverschiebungen. Mit 35 Jahren starb er, auch körperlich lebte er zu rasch und zu dissonant. Das Phänomen Charlie “Bird“ Parker wurde vom Saxophon Theater als überirdischer Tonerzeuger und allzu irdischer Fixer auf die Bühne gebracht, mit Saxophon und Schauspiel, arrangiert und inszeniert von George Nowak.
"Charlie Parker Is Dead..., aber sein Saxophon lebt" vollständig lesen
Um 7.03 sind wir am Kasseler Hauptbahnhof verabredet, Sina, ein Freund und ich. Noch rasch etwas Proviant zugelegt, beim Bäcker in der Schlange mit lauter Männer stehen, die auch noch rasch was zum Essen kaufen wollen. Warum eigentlich nur Männer? Wir steigen in die Regionalbahn nach Frankfurt. Sina hat schlecht geschlafen, der Freund hat schlecht geschlafen, ich habe schlecht geschlafen. Heute ist Sinas Anhörung, in Offenbach, beim BAMF. Sina ist eine von den 745.545 Flüchtlingen, die 2016 nach Deutschland gekommen sind.
"Anhörung: Eine Visite beim BAMF in Offenbach" vollständig lesen

Ein Jazz-Schauspiel an der Grenze zur Performance.
Charlie Parker, die Legende zu Lebzeiten, Gründer des Bebop, eine Figur, die den Jazz und das Saxophonspiel revolutioniert hat und bis heute prägt. Aber auch eine Legende des Verbrennens als Künstler.
"The Saxophone Theatre zeigt: Charlie Parker Is Dead" vollständig lesen
Zum Dreißigsten hat sich die Wohngemeinschaft 149 einfallen lassen, ihren Mitbewohner J. mit Musik zu verblüffen. Unter äußerster Geheimhaltung und mit raffinierten Ablenkungsmanöver ist es gelungen, die Band in die Wohnung einzuschleusen und den ersten Track zu proben, ohne dass der Geburtstager irgendetwas bemerkte. Er stand in der Küche und bruzzelte mit seinen Freunden Sachen fürs Buffet.
"In Pantoffeln tanzen - Die Topper Mo & The Mission 69 im Wohnzimmerkonzert" vollständig lesen
Gerade ereilt mich die Nachricht, dass seit 30.11.2016 die Genossenschaft zum immateriellen
Weltkulturerbe ernannt worden ist. Seit 2014 stand sie auf der
Vorschlagsliste.
"Genossenschaften werden zum Weltkulturerbe erklärt" vollständig lesen
Die Preisträger und Preisträgerinnen des Kasseler Dokfestes sind schon heimgefahren. Die Filmvorführungen waren gut besucht, besser als je zuvor. Manch einer hat sich Urlaub genommen und eine Dauerkarte gekauft. 5 Personen einer Wohngemeinschaft haben es getestet: Mehr als drei Filme am Tag hat keiner geschafft.
"Kasseler Dokfest: Hauchfeiner Geldregen auf Preisträger" vollständig lesen

Die Brüder Mieczyslaw und Alfons Kulakowski sind hochbetagt aus Kasachstan in ihre alte Heimat Polen umgezogen. Hochbetagt heißt alt, sehr alt. Sie richten sich in einem Haus ein, das zuerst im grauen Rohputz, später weiß angestrichen da steht. Alfons, der Landschaftsmaler, ist der Bewegliche von beiden, Mieczyslaw geht oft am Stock, braucht Alfons' Arm, fühlt sich alt und krank. Alfons hat Energie für zwei und noch mehr, Mieczyslaw geht hinterher, langsam zwar, aber hinterher.
"Kasseler Dokfest: Bracia" vollständig lesen

Ein Vater-Tochter Film über Peinlichkeiten, die weh tun könnten. Vater Genreith (60 Jahre und ein bisschen) lebt geschieden von seiner Frau in der Nordeifel und fährt einmal im Jahr nach Thailand. Dort hat er eine neue Frau gefunden, die etwas älter als
seine Tochter ist. Die will er heiraten.
"Kasseler Dokfest: Happy" vollständig lesen
Lukas Erler las in der Hofbuchhandlung Vietor aus seinem 5. Krimi. Der gebürtige Bielefelder kündigte keinerlei emotionale Ausbrüche an, als Ostwestfale sei das nicht üblich. Dafür ging es der ersten Leiche vor ihrem Dahinscheiden äußerst unangenehm übel. Man sollte das Rauchen aufgeben.
"Auge um Auge " vollständig lesen
Von Schwestern, Ärzten, Wartenden und dem Wischmop.
Um 11.45 stehe ich vor der Notaufnahmeanmeldung. Eine freundlichen Blaugekleidete fragt nach meinen Wünschen...
"Neulich in der Notaufnahme" vollständig lesen
Morgen, Sonntag am 29.Mai 2016 18-19 Uhr sprechen Hella und Wolfgang Ehle mit Martin Reuter und Gertrud Salm über Stadt und Land.
Die beiden Gäste haben einen erweiterten Erfahrungsbereich: Kassel 60er Jahre, Frankfurt & Neu-Isenburg 70er bis 2002, Eschenstruth-Waldhof 2002 bis 2012, 2012 bis heute Vorderer Westen. Während die Radiomacher mit Markdorf, Lindau, Nürnberg, Kassel, Siegen, Hildesheim, München, Berlin, etc. auch gut mitreden können. Es geht um Natur und Kultur, Lärm und Dreck, Mentalitäten, Verkehrswege und die urbane Ländlichkeit.
Freies Radio Kassel.
Es schneit. Unter den Schaufensterüberdachung links und rechts neben dem Hauseingang 149 steht jeweils eine Frau und schaut dem Flockenfall zu. Ein Mann ohne Kopfbedeckung, dafür aber mit einer brennenden Zigarette in der Hand, geht schwungvoll an den Frauen vorbei, rutscht, fängt sich und schaut auf seine Zigarette. Dann erst erklärt er den Frauen: "Da war Eis drunter", und geht weiter.
Die Altpapiertonnen an der Wilhelm-Marker-Straße sind schon reichlich voll. Ich zerkleinere Pappkartons und stopfe sie noch dazu.
"Neulich an der Papiertonne II" vollständig lesen
Die Begegnungen an der Altpapiertonne häufen sich. Letzte Woche in der Goethestraße komme ich mit der große Tasche und sehe lauter Pappschachteln, die vor der Tonne herum stehen.
"Neulich an der Papiertonne I" vollständig lesen