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Rosige Zahlen bei der AfA

Ob ich denn nicht mal zu einer Märchenstunde gehen wolle, fragt mich der Kollege. Natürlich, ich höre gerne Märchen. Ja heute gebe die Agentur für Arbeit eine Pressekonferenz zur "Lage und Entwicklung des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes im Mai 2010". Ich hörte also an.
Wie man von Niklas Luhmann weiß, ist eine der medialen Sportarten und Aufmerksamkeitscatcher das Zahlenspiel - sofern es nicht allzu kompliziert präsentiert wird. Für ihn zählt es zu den Auslösern "substanzloser Aha-Effekte". Das sieht der Agenturboss Detlef Hesse natürlich nicht so - ist es doch sein Mitteilungsbrot. Märchenhaft waren die präsentierten Zahlen tatsächlich. Nachdem man in den letzten Jahren meist Finsteres zu melden hatte, das Gejammer um den "Standort Nordhessen" groß war und man die Invasion der Krisen-Globalität in unseren nördlichsten Zipfel befürchtet hatte, sieht es nun recht rosig aus.
Das Zahlenwerk: Rückgang der Arbeitslosenzahl (Agentur plus Arbeitsgemeinschaften) um 18,6% gegenüber dem Vorjahr - das sind jetzt 21.358 Menschen. Arbeitslosenquote des gesamten Agenturbezirks ("bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen"): 7%. (Zum Vergleich: Hautptamtsbereich Kassel 7,9, Witzenhausen 6,9, Fritzlar 6,2, Hofgeismar 6,1, Melsungen 5,1, Hofgeismar 4,7; nach Landkreisen: Stadt Kassel 10,1, Landkreis Kassel 5,2, Werra-Meißner 7,6, Schwalm-Eder 6,1.) Das Sinken der Arbeitslosenquote fällt nach den sog. "Rechtskreisen " unterschiedlich aus. Im Bereich Arbeitslosengeld I (beitragsfinanziert) dreimal stärkeres Absinken als bei ALG II ("steuerfinanzierte Grundsicherung" alias Hartz IV) mit hier minus 13,3%, verbleiben jetzt also noch 15.674 Menschen mit Arbeitsagentur, aber ohne Arbeit.
Bei den "jüngeren Arbeitslosen" (15-25 J.) ergab sich ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 24,3% auf jetzt 2.193 Menschen und eine Quote von 6,7% (gerechnet auf Abhängige, Selbständige und Familienangehörige).
Eine besondere Situation ergibt sich laut Pressesprecherin Silke Sennhenn - da assoziiere ich unwillkürlich die Alpen, wenn sie's mit Humor nimmt - bei den Lehrstellen-Kandidaten. Man habe zwar nach einem "Tag des Ausbildungsplatzes" im letzten August aus eigener Kraft 58 zusätzliche Lehrstellen akquiriert. Außerdem wurden im Vergleich zum letzten Ausbildungsjahr der Agentur mit 3.105 Stellen 191 mehr gemeldet (aktuelle Zahl freier Lehrstellen: 1.441.) Man wisse aber jetzt schon, dass die Zahl der Schulabgänger zurück gehe und hier ein echtes Nachwuchsproblem entstehe. Hesse fügte hinzu, dass man einerseits die Klagen von Unternehmen über die Qualität der Ausbildung und Haltung der Jüngeren registrieren müsse; andererseits seien wohl auch die Anforderungen der Firmen gestiegen. Schüler würden auch gerne statt in Arbeitsplätze auf weiterführende Schulen gehen. Auch sei es schwierig, Flexibilität beim Berufswunsch anzuregen; es gebe immer die gleichen Top Ten beim Berufswunsch. Ebenso eingefahren seien die Geschlechterrollen. Hier will sich die Agentur offensichtlich als Emanzipator betätigen. Junge Frauen: Ran an den Blaumann! (Meine Warnung aber an junge Männer: Vorsicht bei Kitas! Ich hörte neulich im Radio, dass männliche Praktikanten aufgrund der Mißbrauchsmedienwelle auf Geheiß vieler Eltern keine Babies mehr wickeln dürfen, und die Tür muss auch immer schön offen stehen... Seid anderswo flexibel!)
Den Grund für die gute Entwicklung sieht Hesse erstens in der inzwischen guten Branchenmixtur. (Die Agentur habe natürlich das ihre getan.) Zweitens entstehe der Effekt aufgrund der zurückgegangenen Entlassungen und der gleichzeitig steigenden Arbeitsaufnahmen. Drittens sei die Zahl der von Unternehmen angebotenen, nicht von der Agentur mitgeförderten Stellen um 47% gestiegen, allerdings dabei eine große Zahl von Zeitarbeiten. Viertens könne man in der stark gestiegenen Nachfrage nach Zeitarbeitern einen positiven Konjunkturindikator sehen. Und nicht zuletzt seien SMA und VW besondere Wirtschaftsmotoren; VW habe aufgrund seines Kleinwagenangebots von der Abwrackprämie profitiert. Die große Krise sei an Kassel noch einmal vorübergegangen.
Ausblick? Natürlich könne man nicht jederzeit mit solchen schönen Zahlen rechnen. Der Trend werde sich noch 2-3 Monate halten. Im nächsten Halbjahr müsse man aber mit weniger Geld bei den arbeitsmarktpolitischen Programmen auskommen. Die Entwicklung beim Markt für Fachkräfte mache ihm Sorgen. Aus Berlin komme dann noch die Politik von Frau von der Leyen auf sie zu. Fest stünde ja wohl bis jetzt nur die Einführung der "Bürgerarbeit", die mit viel Geld unterstützt werde. Bei der großen Zahl der Bewerber (incl. Stadt Kassel) aber werde wohl nicht viel für die einzelnen Agenturen bzw. Arbeitsgemeinschaften übrigbleiben.
Warten wir also alle ab, wie die Bescherung ausfällt. Heute bekamen wir ja nun eine Erzählung mit vielen vielen Zahlen beschert. ("Wir": Außerdem lauschte eine Gruppe von Auszubildenden der Beruflichen Schulen des Werra-Meißner-Kreises aus Witzenhausen, Sparte "Verwaltungsfachangestellte". Man wüsste nur zu gerne, was sie da mit nach Hause genommen hat...)

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Kommentare

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Richard Kallok am :

Mit Statistiken ist das natürlich so eine Sache, allein im EU-Raum gibt es ja 3 verschiedene Verfahren, um die Arbeitslosenquote zu errechnen. Bei den Statistiken der Aa Kassel fällt mir auf, dass dort immer neue Begrifflichkeiten auftauchen. "Arbeitslose", "Arbeitssuchende", "Personen in Arbeitsmarktpolitik". Interessant ist diesmal, dass unter der Rubrik "Personen, die allein wegen & 16 nicht arbeitslos sind" (sind das 1-Euro-Jobber?) ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen ist. Das waren im Mai 2010 mit 2857 immerhin 63 % mehr als noch ein Jahr zuvor. - Egal, wichtig ist sicher, dass wir als Konsumenten unseren Otimismus nicht verlieren.

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