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Mit dem Pubertist auf du und du…

Abgebügelt
Im Rahmen der pädagogischen Interventionen zur Brutaufzucht im bildungsnahen Schichten wurde der Pubertist im Hause Schreiber aufgrund seiner hervorstechenden Qualifikationen zum Technikbeauftragten ernannt. Und so begab es sich, dass er ein Haushaltgerät zum Glätten verkrumpelter Vermummungsgegenstände - heutzutage meist Früchte von den Webstühlen aus den Sweatshops im Trikont - anzuschaffen hatte. Da stand er nun in einem dieser "Ich bin doch nicht blöd" bzw. "Geiz ist geil"-Gaga-Etablissements und konnte sich ob der Mannigfaltigkeit, die eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit des Spätkapitalismus demonstrierte, kaum entscheiden. Clever wie die Jugend von heute nun mal ist, ...
...wurde das Mobilkommunikationszentrum in Form eines kleinen, stylischen Elektrogerätes in Gang gebracht und die Bodenstation angefunkt. "Hier, ich bin gerade mit den Jungs im Gaga-Markt. Was soll ich'n für'n Teil kaufen. Marke A oder B und was sind deine farblichen Präferenzen? Und was darf das Teil kosten?" Ich war maßlos überfordert. "Gefühlte zehn Euro" hätte ich am liebsten gesagt. Oder: "Lass uns 'ne Bügelhilfe klar machen." Aber die bräuchte ja dann auch ein Glättgerät. Dass die das gleich noch mitbringen, habe ich bis dato nicht nicht vernommen.
Es war also unvermeidlich, zumal der Pubertist und sein Erzeuger Herrenoberbekleidung zu tragen pflegen, die der erhöhten Zuwendung in Form von Wasser in verschiedenen Aggregatzuständen bedürfen.
Ich beschloss es über den Preis zu entscheiden. "Guck mal, was sich im soliden Mittelfeld tut", funke ich zurück. "Ja, da gäbe es was für 39.- und für 49.-. Das für 49.- ist von dem und dem bekannten Markenhersteller Soundso und hat noch die und die Zusatzfunktionen." Von den Zusatzfunktionen verstehe ich rein gar nichts. "Achte bitte drauf, dass es eins ist, in das man normales Wasser füllen kann", sage ich. "Auf das Theater mit destilliertem Wasser habe ich keinen Nerv." Der Pubertist tut, wie ihm geheißen und ruft nach fünf Minuten wieder an. "Hier gibt es so'n Teil mit automatischer Entkalkungsfunktion", meldet er. "Hört sich vernünftig an", sage ich. "Die Verkäuferin sagt, dass es mehr Dampf macht, als das für 39.-", bekomme ich noch als Zusatzinformation gereicht. "Mach es klar", melde ich.
So kommt Modell GC 4410 in den Genuss, die Männerpensionstextilien akkurat zu glätten.

Vor die Inbetriebnahme hatten die Götter allerdings das Studium der sechssprachigen Bedienungsleitung gesetzt. Praktischerweise galt selbige gleich auch noch für die Modelle GC 4444, GC 4440, GC 4430, GC 4425, GC 4422, GC 4420, GC 4415, GC 4412 und GC 4411. Da beschleicht einen natürlich sofort ein mulmiges Gefühl, wenn man ausgerechnet das das letzte Gerät einer vermutlich der südostasiatischen Ingenieurskunst entstammenden Baureihe erstanden hat.
Mit der Konsequenz, dass viele der fantastischen Bügelfeatures, die in der Bedienungsanleitung detailliert beschrieben werden, für meine Billigausführung überhaupt nicht zutreffen, weil der Südostasiat sie einfach nicht eingebaut hat.
Nachdem ich zum Kauf beglückwünscht wurde, soll ich mein Produkt über die Heimseite des Herstellers registrieren, "damit ich den Support optimal nutzen kann." "Optimaler Support wäre eine südostasiatische Bügelhilfe", denke ich und ignoriere die Aufforderung.
Mein GC 4410 verfügt über: Spraydüse, Verschlusskappe der Einfüllöffnung, Dampfstoß- und Sprühtaste, Dampfregler, Temperaturregler, gelbe Temperaturanzeige, Netzkabel, Typenschild, Bügelsohle, und CalC-Clean-Taste. Immerhin.
Mit der ionisierenden DeepSteam-Funktion, was in meiner pervertierten Vorstellung eher nach einer interessanten Sexualpraktik oder nach einer Inhalationstechnik für das schnellere Herbeiführen rauschartiger Zustände als nach Glätteisen klingt, ist das Gerät nicht ausgestattet. "Und das ist auch gut so", zitiere ich innerlich den Regierenden Bürgermeister der Bundeshauptstadt.
Bevor ich endlich loslegen kann, wird noch eindringlich gewarnt: "Dieses Gerät ist für Benutzer (einschl. Kinder) mit eingeschränkten physischen, sensorischen oder psychischen Fähigkeiten bzw. ohne jegliche Erfahrung oder Vorwissen nur dann geeignet, wenn ein angemessene Aufsicht oder ausführliche Anleitung zur Benutzung des Geräts durch eine verantwortliche Person sichergestellt ist."

Es ist Sonnabendabend, Kampftag der Arbeiterklasse. Wo soll ich als Minderbemittelter jetzt noch eine Aufsicht finden? Und wer übernimmt die Verantwortung, wenn ich jetzt doch zur Tat schreite. Der Puberist ist außerhäusig.
Unter Lebensgefahr befühle ich den Wasserbehälter ("Gefahr: Tauchen Sie das Bügeleisen nicht in Wasser") und verbinde das Gerät mit dem - ganz wichtig - geerdeten Stromnetz. Bevor es dann losgeht, muss ich mich auch noch selber erden.
Beim vertiefenden Bedienungsanleitungsstudium stelle ich fest, dass es mit der Selbstentkalkung, die ich qua Calc-Clean-Taste mitgebucht habe, auch nicht so ganz weit her ist. "Wenn das Leitungswasser Ihrer Gegend sehr hart ist, sollte zu gleichen Teilen Leitungswasser und destilliertes Wasser verwendet werden." "Arschlecken", denke ich und befülle das Teil. Ich will ja noch vor Einbruch der Dunkelheit fertig werden.
Ich reisse also die erste Schicht mit meinem neuen GC 4410.
Meine sensorischen Fähigkeiten müssen noch geschult werden, stelle ich ernüchternd fest.
Später tue ich mir noch die Lektüre an, um meine Problemlösungskompetenzen am Gerät selber zu schulen. Der Problembeschreibung folgen Hinweise auf mögliche Ursachen und Lösungsangebote. "Das Bügeleisen erzeugt ein summendes Geräusch", lautet ein Problem. Ursache: "Die ionisierende DeepSteam-Funktion ist aktiviert.
Ich bin glücklich, dass der Pubertist mich vom DeepSteam verschont hat und summe in Zukunft lieber selber beim Bügeln.



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Kommentare

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Anonym am :

Pfui ! ;-)
ach so,
ich hab erst nach 10 Minuten nach Lesen dieses Textes verstanden, was die Pointe ist.
Das liegt an der Überschrift, die muss dann auch heißen: DeepSteam

Schreiber am :

... ein bisschen Arbeit wird man seinen Lesern ja wohl noch zumuten können, schließlich gibt's hier keine Lesepflicht.

MR am :

Man bekommt den Eindruck, als ob die Aufzucht (s. "Baumschule") - zumindest sprachlich - eine ziemlich komplizierte Angelegenheit sein muss - vor allem, wenn sich Technik aktiv einmischt ("Hybridisierung").

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