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Bürgerinitiativen sollten sich von politischen Parteien abgrenzen ...

... Sollten sie wirklich?
Diese Diskussion ist wohl ebenso alt wie die Protestbewegungen. Und sie ist nie konsequent zu Ende geführt worden. Warum gehen Menschen auf die Strasse, gründen BIs oder engagieren sich sonstwie in Gruppen?

Es ist doch wohl so, dass BIs überall dort entstehen, wo ein Fehlen oder eine falsche Richtung von politischen Entscheidungen die Menschen aktiviert. Und das umso mehr, je höher die persönliche Betroffenheit ist.

Daraus läßt sich der einfache Schluss ziehen, dass die gewählten Mandatsträger offenbar entgegen den Erwartungen dieser Wählerinnen & Wähler gehandelt haben.

Und es zeigt sich, was falsch gelaufen ist: Anstatt sich frühzeitig politisch zu engagieren und dafür zu sorgen, dass diejenigen Leute gewählt werden, die die eigenen Interessen vertreten, wird dann eine Protest-BI gegründet. Typischerweise - z.B. bei Strassenbauprojekten - nach der Planfeststellung, also wenn Baurecht besteht und der Bagger abgefahren ist. Und gerne wird auch der politisch Aktive - selbst wenn er klar auf Seiten der Protestierer steht - dafür in die Haftung genommen.

Das ganze System dieser Planungsverfahren ist bewusst und vorsätzlich darauf abgestellt, die Bürgereinwände möglichst gar nicht erst in Massen herbeizuführen, und wenn doch, dann per Verwaltungsgericht abschmettern zu lassen. Siehe Flughäfen Frankfurt und Kassel-Calden, Autobahnen A44, A49... Aber der eingelullte Bürger pennt so lange, bis die Bagger in Sicht- und Hörweite kommen, dann gründet er eine BI und muss sich umgehend vorwerfen lassen, dass er querulatorisch in demokratisch abgestimmte Verfahren eingreift. Was formal durchaus stimmt!

Wir lernen daraus: Anstatt jetzt eine Bürgerinitiative zu gründen, wäre es wäre besser gewesen, in den beiden vorangegangenen Legislaturperioden diejenigen Leute in die Parlamente zu wählen, die korruptionsresistent und fachlich qualifiziert die Interessen von Mensch und Natur wahrnehmen.

Und damit sind wir bei den Parteienvertretern auf den Demos: Nehmt sie mit, nehmt sie beim Wort, schickt sie in die Parlamente und hört endlich auf, eure modische Politikverdrossenheit an denen auszulassen, die es wirklich ernst meinen mit der Veränderung.

Politik in diesem Sinne ist kein Karrieresprungbrett und kein wirkliches Freizeitvergnügen. Sie ist hartnäckiges Bohren von dicken Brettern für eine Sache, an die man glaubt. Und ich fordere verdammt nochmal von all den Intitiativlern, dafür anerkannt und nicht für meine Entscheidung, in die Politik zu gehen, mit Häme und Verdächtigungen überschüttet zu werden.

Es macht keinen Spass, in den Parlamenten von überheblichen und strunzdummen Konservativen angemacht zu werden. Aber es macht noch weniger Spass, auch noch von denen angepisst zu werden, deren Interessen man teilt und politisch umsetzen will.

Warum, in drei Teufels Namen, schiebt ihr immer die Ausrede vor, dass Politik ein schmutziges Geschäft sei und die "da oben" doch machen, was sie wollen? Letzteres stimmt zumindest in gewisser Weise. Denn soweit ich mich erinnere, sind alle derzeitigen Protestthemen, ob Flughafen, Autobahn oder AKW, letztlich doch bei der Politik zur Entscheidung gelandet. Also hätte man sich den ganzen BI-Aufwand auch schenken können, oder? Nicht ganz, aber: Wer heute etwas ereichen will, braucht BI-Aktivitäten, juristische und politische Unterstützung gleichberechtigt nebeneinander.

Ergo: Schafft neue Mehrheiten, Leute, dann klappt's besser mit der Durchsetzung unserer Ideen! Das geht aber nur, wenn man aus der kuscheligen Wohlfühlrunde der Gleichgesinnten raus geht und auch politisch (bäh!) arbeitet.

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Kommentare

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Klaus Schaake am :

Herr Ehle, wer ist "ihr" und darf sich mit dem Beitrag angesprochen fühlen? Er liest sich wie eine Antwort auf einen anderen Beitrag, nur fehlt mir irgendwie der Bezug. Oder hatten Sie eine irgendeine "Begegnung der dritten Art" und mussten es jetzt mal rauslassen?
Wenn ich mir die Situation in Wolfhagen mit den Windrädern anschaue, stelle ich fest, dass die politisch Verantwortlichen alles richtig machen/gemacht haben. Und trotzdem stehen die Gegner stramm und machen mit allen Mittel Front gegen das, was man da sinnvollerweise vor hat.
Das will nicht so recht in ihr Deutungsmuster passen.

Martin Mützel am :

Hallo Wolfgang,
Einerseits volle Zustimmung gegen das politikverdrossene Genöle gegen "die da oben". Das können wir dem HNA-Leserforum überlassen ;-)
Andererseits ist in nächster Zeit in Hessen keine Wahl. Wem jetzt auffällt, dass etwas schief läuft (und das ist eine späte, aber dennoch wertvolle Erkenntnis!), der kann sich nur engagieren. Gerne auch in Parteien, aber genauso gut in BIs, beim BUND, VCD, in Gewerkschaften oder bei attac.
Ich war letzten Sonnabend in Biblis. Dort war zu bemerken, dass gleich drei politische Parteien versuchten, ihre jeweiligen Fahnen besonders auffällig zu postieren. Eine dieser Parteien stellte bis vor kurzem den Bundesumweltminister und ist nicht ganz unverantwortlich für den Zustand, gegen den demonstriert wurde. Dass so etwas zu kritischen Bemerkungen führt, ist doch wohl verständlich?
Und so schmerzhaft es ist, die ganzen Autobahnen (A 44, A 49, andernorts A 14, A 22, ...) stehen in einem Bundesverkehrswegeplan, der von einer rot-grünen Bundestagsmehrheit beschlossen wurde. Dazu sagte mir mal ein grüner Abgeordneter selbstgerecht, die BIs und Umweltverbände hätten zu wenig Druck gemacht. Der damalige Vizekanzler berät jetzt BMW. Die Person (nicht seine Partei) ist bei mir seitdem "unten durch".
Also nichts gegen "die Guten" an der Macht - aber das allein reicht nicht!

Wolfgang Ehle am :

Hallo Klaus Schaake, lieber Martin Mützel

danke für die Rückkopplung. Auslöser für meinen "Ausbruch" war in der Tat ein Pro-Contra-Beitrag in der taz vor einigen Tagen, den ich kommentiert und dann nochmal überarbeitet habe (offenbar nicht ausreichend).

Mit der Wolfhager Situation hat der Beitrag überhaupt nichts zu tun, eher noch damit, dass ich seit über 10 Jahren mit diesem Problem zu kämpfen habe und mir immer wieder die gleiche Litanei anhören muss. Auch der Kommentar von Martin Mützel zeigt das Problem. Du hast ja vollkommen recht, wenn du sagst, dass es viele Umfaller in der Politik gibt - auch bei den Grünen - und dass viele falsche Entscheidungen in den Parlamenten getroffen werden (Wolfhagen & Windkraft ist da mal ein positiver Ausrutscher). Aber dann muss ich doch den Schluss ziehen, dass ich selbst oder meine Mitstreiter aktiv ins politische Geschehen eingreifen müssen. Und dann darf ich mich nicht damit begnügen zu erklären, dass dieser oder jener Politker bei mir "unten durch" ist. So verändert man Politik nicht, denn bei der Wahl einer anderen Partei kommen nur andere Umfaller ans Ruder. Deshalb nochmal: Auch wenn es für akute Problemstellungen zu spät ist, grundsätzlich schaffen wir Veränderung nur dann, wenn wir uns selbst an den Schaltsellen einmischen.

Was das "auffällige Postieren" der Parteien in Biblis angeht: Jeder, der dort auftritt und in unserem Sinne demonstriert, sollte willkommen sein. Wer mit einer Partei oder einzelnen Politikern in Sachen AKW ein Problem hat, sollte die Gelegenheit einer solchen Demo nutzen und die Mitglieder dieser Partei gleich damit konfrontieren. Ausserdem: Wie läsen sich wohl die Kommentare, wenn die Grünen (oder sonstwie Gefärbte) bei den AKW-Demos überhaupt nicht Flagge gezeigt hätten??

Ich würde mich freuen, wenn mein Beitrag trotz der angesprochenen Schwächen einen Denkanstoss liefert.

Martin Reuter am :

Unangenehm zuzusehen, wie hier Parteienpolitik und "alternative" Formen sich selbst zueinander in Konkurrenz bringen. Meist auch noch relativ unverwickelte Beobachtungen gegen Taten. Beide Formen sind doch nützlich. Außerdem bestätigt sich, dass dort Macht und hier Ohnmacht ist. Das erzeugt die Vorstellung vom "Druck", den man erzeugen muss, um selbst mächtig zu sein. Das aber nun ist keine Politik, sondern Physik.

Richard Kallok am :

Ich muss Herrn Mützel recht geben und kann da durchaus meine Erfahrung aus 2 Parteimitgliedschaften mit 23jähriger Dauer einbringen. Parteien funktionieren nun einmal nach bestimmten Gesetzen, das wichtigste ist die Selbsterhaltung, oder aus der Sicht der einflussreichen Funktionäre: Die Erhaltung von Ämtern und Mandaten über die sich Einkommen und sozialer Status vermitteln. Das einfache Parteivolk gibt sich vielfach mit kleineren Gratifikationen zufrieden, was nicht heisst, dass es in den Parteien nicht auch "Überzeugungstäter" gibt.
Und deshalb müssen sich Parteien vor allem mit denen gut stehen, die die Meinungsindustrie hierzulande verkörpern. Kein Bundeskanzler darf es sich dauerhaft mit Springer oder Bertelsmann verderben, kein Kasseler OB mit Ippen. Und hinter der Meinungsindustrie stehen bestimmte wirtschaftliche Interessen, die vermitteln sich über Anzeigenaufträge, Kreditbeziehungen, persönliche Beziehungen und natürlich dadurch, dass die Schicht der Mediengewaltigen sich aus bestimmten sozialen Gruppen rekrutiert. - So eben werden Kapitalismus und parlamentarische Demokratie in Übereinstimmung gebracht.

Martin Mützel am :

Moment, das hatte ich mit meinem Beitrag nicht gmeint. Mir geht es eher um die Grenze zwischen "Unterstützen" und "Vereinnahmen" oder gar "Uminterpretieren".
Ich habe Respekt vor allen, die in Parteien und Parlamenten etwas Gutes für Mensch und Umwelt erreichen wollen. Einige davon haben mich zugegeben desillusioniert, aber so schwarz wie Richard Kallok sehe ich nicht.

Martin Reuter am :

Lieber Richard, es war vorauszusehen, dass zu den drei demokratisch legitimierten Gewalten nun die vierte hinzugefügt wird: "Mediengewaltige". Das ist (für mich) die Wiederholung eines Selbstmissverständnisses der Medien selbst (der repäsentative Aufklärer und Belehrer, Investigierer, Kontrolleur, Demokratiseur etc.pp.). Eine "Übereinstimmung zwischen Kapitalismus und Demokratie" gibt es nicht und wird es niemals geben; die 'Systeme' haben ganz verschiedene Eigenarten. Und verstünde man die Arbeitsweise der Medien sachlich besser, würde man es auch als Unsinn erkennen, das hinter etwas immer auch etwas Anderes steht. - Interessant fände ich, ob es in der Nähe jemanden gibt, der sich über die Kooperation zwischen ganz verschiedenen Machterringungskonzepten (alias Wir-sind-das-Volk-Selbstvertretungs-Konzepten)zumindest Gedanken macht.

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