„Neu-Nordhesse“ im siebten Jahr - Rückblick 9 Jahre später...
Bisher glaubte ich, in jedem Teil der Welt leben und mich anpassen zu können. Bisher glaubte ich, dass meine nordhessische Herkunft auch nach 40 Jahren Südhessen die reibungslose Wiedereingliederung in der alten Heimat gewährleiste. Nach sieben Jahren im nordhessischen Wald- und Bergland ist es Zeit für eine kritische Bestandsaufnahme.
Und mit einem Nachtrag vom Juni 2018!
Und mit einem Nachtrag vom Juni 2018!
Erste Erkenntnis: Herkunft nutzt nichts. Wer mit 16 in die Fremde geht und als älterer Erwachsener zurückkehrt, der kommt als Fremder. Und der hat die gleichen Probleme wie jemand, der von ganz woanders her kommt.
Zweite Erkenntnis (keineswegs neu): Der Nordhesse ist in keiner Weise verwandt mit dem Südhessen. Mentalität und Grundhaltung könnten verschiedener nicht sein. Der Südhesse ist im allgemeinen positiv gestimmt, geht freudig naiv und aufgeschlossen durch den Tag, ist eher kontaktfreudig und tendiert zur Oberflächlichkeit. Wenn er etwas nicht auf Anhieb versteht, dann fragt er nach oder lässt die Dinge auf sich zu kommen.
Ganz anders der Homo hassia arcticus. Die Merkel’schen Mundwinkel mit ihrem demonstrativen Abwärtstrend könnten auf nordhessische Vorfahren hindeuten. Der gemeine Nordhesse erscheint auf den ersten Blick übellaunig, bestenfalls skeptisch. Und dieser Eindruck trügt selten. Eine Viertelstunde auf der Kasseler Königsstrasse bestätigt das. Fröhlich lachende Gesichter sind die Ausnahme.
Eine weiterer Charakterzug ist der oft großspurige Auftritt, der sich in erster Linie durch eine entsprechende Lautstärke Aufmerksamkeit zu schaffen sucht. Das klappt immer dann nicht, wenn mehrere Landsleute aufeinander treffen. Dann wird es einfach nur laut. Der Zugereiste schweigt verstört und wird folgerichtig überhaupt nicht wahrgenommen. In einem Frankfurter Äppelweinlokal ist es zwar genauso laut, aber da lässt man mich wenigstens mitmachen.
Da diese laute Großspurigkeit in erster Line ein Imponiergehabe ist, kommt es nur wenig auf die Inhalte an. Zuhören findet folglich auch nur in Ausnahmefällen statt. Dies führt jedoch dazu, dass – wenn sich mal ein komplexerer Einwand Zutritt zum Bewusstsein des Lautredners verschafft hat – ein überraschender Effekt eintritt. Ein solcher Einwand wird unmittelbar als persönlicher Angriff umgedeutet. Keinesfalls wird er als produktiver Beitrag zur Diskussion verstanden. Denn eine Diskussion ist es ja nicht. Die laute Stammtischrunde schlägt urplötzlich in ein Tribunal um, das dem Einwender mindestens verbal an den Kragen will. Aggression als Tarnung für Unsicherheit.
Nun könnte man ja sagen, dass so viel Lebensenergie – in produktive Bahnen gelenkt – der Region nur zum Vorteil gereichen könnte. Weit gefehlt. Der Nordhesse kommt einfach nicht raus aus seiner weinerlichen Zonenrandgebietsmentalität. Alles Neue ist ihm zuwider, das Alte auch. Und so dämmert eine Region mit großartigen Potentialen im Halbkoma vor sich hin und wird nur wach, wenn es mal wieder gilt, einem Zugereisten wortgewaltig und lautstark klar zu machen, dass er nun wirklich keine Ahnung hat und dass er sich gefälligst nicht mit einem anlegen solle.
Symptomatisch ist die Tatsache, dass Dorffeste im Anzeigenblättchen meist gerade mal ein Datum bekannt geben, aber keine Zeit und keinen Ort. Wer da hin will, der weiß schon wo das ist. Und wer’s nicht weiß, der muss auch nicht kommen!
Gewiss, ich übertreibe. Aber nur ein wenig! Und den verbalen Prügeln, die ich für diese Zeilen beziehen werde, sehe ich mit Fassung entgegen. Man meint’s ja nur gut... Aber ich könnte ja auch nordhessisch reagieren – siehe oben.
Nachtrag, Juni 2018, als Antwort auf den letzten Beitrag von HolyMoly:
Ich hatte mein Pamphlet von vor fast 10 Jahren schon vergessen - und es jetzt noch mal gelesen. Stimmt alles weitgehend auch heute noch, wenngleich eine leichte Auflockerung erkennbar ist.
Aber - HolyMoly - wegziehen ist keine Lösung.
Mittlerweile im Vorderen Westen Kassels gelandet, muss ich sagen: Hier möchte ich nicht mehr weg! Ehrlich! Kann auch damit zusammenhängen, dass der Anteil der Zugereisten hier vergleichsweise hoch ist :))
Zweite Erkenntnis (keineswegs neu): Der Nordhesse ist in keiner Weise verwandt mit dem Südhessen. Mentalität und Grundhaltung könnten verschiedener nicht sein. Der Südhesse ist im allgemeinen positiv gestimmt, geht freudig naiv und aufgeschlossen durch den Tag, ist eher kontaktfreudig und tendiert zur Oberflächlichkeit. Wenn er etwas nicht auf Anhieb versteht, dann fragt er nach oder lässt die Dinge auf sich zu kommen.
Ganz anders der Homo hassia arcticus. Die Merkel’schen Mundwinkel mit ihrem demonstrativen Abwärtstrend könnten auf nordhessische Vorfahren hindeuten. Der gemeine Nordhesse erscheint auf den ersten Blick übellaunig, bestenfalls skeptisch. Und dieser Eindruck trügt selten. Eine Viertelstunde auf der Kasseler Königsstrasse bestätigt das. Fröhlich lachende Gesichter sind die Ausnahme.
Eine weiterer Charakterzug ist der oft großspurige Auftritt, der sich in erster Linie durch eine entsprechende Lautstärke Aufmerksamkeit zu schaffen sucht. Das klappt immer dann nicht, wenn mehrere Landsleute aufeinander treffen. Dann wird es einfach nur laut. Der Zugereiste schweigt verstört und wird folgerichtig überhaupt nicht wahrgenommen. In einem Frankfurter Äppelweinlokal ist es zwar genauso laut, aber da lässt man mich wenigstens mitmachen.
Da diese laute Großspurigkeit in erster Line ein Imponiergehabe ist, kommt es nur wenig auf die Inhalte an. Zuhören findet folglich auch nur in Ausnahmefällen statt. Dies führt jedoch dazu, dass – wenn sich mal ein komplexerer Einwand Zutritt zum Bewusstsein des Lautredners verschafft hat – ein überraschender Effekt eintritt. Ein solcher Einwand wird unmittelbar als persönlicher Angriff umgedeutet. Keinesfalls wird er als produktiver Beitrag zur Diskussion verstanden. Denn eine Diskussion ist es ja nicht. Die laute Stammtischrunde schlägt urplötzlich in ein Tribunal um, das dem Einwender mindestens verbal an den Kragen will. Aggression als Tarnung für Unsicherheit.
Nun könnte man ja sagen, dass so viel Lebensenergie – in produktive Bahnen gelenkt – der Region nur zum Vorteil gereichen könnte. Weit gefehlt. Der Nordhesse kommt einfach nicht raus aus seiner weinerlichen Zonenrandgebietsmentalität. Alles Neue ist ihm zuwider, das Alte auch. Und so dämmert eine Region mit großartigen Potentialen im Halbkoma vor sich hin und wird nur wach, wenn es mal wieder gilt, einem Zugereisten wortgewaltig und lautstark klar zu machen, dass er nun wirklich keine Ahnung hat und dass er sich gefälligst nicht mit einem anlegen solle.
Symptomatisch ist die Tatsache, dass Dorffeste im Anzeigenblättchen meist gerade mal ein Datum bekannt geben, aber keine Zeit und keinen Ort. Wer da hin will, der weiß schon wo das ist. Und wer’s nicht weiß, der muss auch nicht kommen!
Gewiss, ich übertreibe. Aber nur ein wenig! Und den verbalen Prügeln, die ich für diese Zeilen beziehen werde, sehe ich mit Fassung entgegen. Man meint’s ja nur gut... Aber ich könnte ja auch nordhessisch reagieren – siehe oben.
Nachtrag, Juni 2018, als Antwort auf den letzten Beitrag von HolyMoly:
Ich hatte mein Pamphlet von vor fast 10 Jahren schon vergessen - und es jetzt noch mal gelesen. Stimmt alles weitgehend auch heute noch, wenngleich eine leichte Auflockerung erkennbar ist.
Aber - HolyMoly - wegziehen ist keine Lösung.
Mittlerweile im Vorderen Westen Kassels gelandet, muss ich sagen: Hier möchte ich nicht mehr weg! Ehrlich! Kann auch damit zusammenhängen, dass der Anteil der Zugereisten hier vergleichsweise hoch ist :))
Kommentare
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Martin Reuter am :
Wolfgang Ehle am :
Martin Reuter am :
wir sinds am :
Wolfgang Ehle am :
Martin Reuter am :
Claudia Huss am :
Hans Peter am :
Ganz finster sind für mich dabei auch die Kontakte mit z.B. Servicekräften in Restaurants etc. Meist fühle ich mich fehl am Platz, werde übellaunig bedient oder ignoriert. Mag sein das mit Zurückhaltung kein Blumentopf gewonnen werden kann, aber Höflichkeit und ab und zu ein Lächeln sind doch relativ kostenneutral zu organisieren.
In einem Pub in Dublin braucht man fast nur den Blick schweifen zu lassen und schwups ist das Glas wieder voll. Mehrfach getestet!
Der Edersee als Tourismusregion bildet dabei meinen persönlichen Tiefpunkt, Trostlosigkeit pur!
Und dabei bin auch ich "born and raised" in Kassel. Vielleicht ein Therapiegrund?
junge am :
Wolfgang Ehle am :
Hans Peters Ausweitung des Themas auf das "gastronomische Ödland" kann ich als gereister Hesse nur unterstreichen. Also sprach der Wirt:" Warum soll ich was anderes als drei Schnitzelsorten auf der Karte haben? Bis jetzt hat sich noch keiner beschwert!"
Mahlzeit...
Martin Reuter am :
Wolfgang Ehle am :
Ich gestehe, Herr Reuter. Tatsächlich sind es im Schnitt immer mindestens fünf Schnitzelsorten (Wiener, Jäger, Hawaii, Paprika und "mit alles"). Und dann sind da noch die von Ihnen genannten Overkill-Angebote. Mein Vorurteil hat sich dahin gehend ausgewirkt, dass ich nur drei genannt habe, denn die grauenhafte Wirklichkeit einer nordhessischen Speisekarte glaubt einem sowieso keiner, der noch nie hier war.
Sabine Scheffer am :
Ich werde mir Ihren Artikel ausdrucken udn übers Bett hängen.
Der gewöhnliche Nordhesse wirft dem "Heimkehrer" erstens vor, dass der "Heimkehrer" überhaupt mal woanders gewohnt hat und zweitens sieht er dieses woanders wohnen und sich dort SEHR WOHL fühlen als Beweis an, dass der "Heimkehrer" mit den Leuten hier einfach nicht klarkommt, da er angeblich gewaltig "aus der Art schlägt" (Ich nehme das immer als Kompliment) - Ich habe ein Spiel begonnen, seit ich "heimgekehrt" bin. Ich zähle Lächeler: In Stuttgart lächele ich 20 fremde Leute auf der Straße an und 30 lächeln zurück. In Kassel lächele ich 30 Leute auf der Straße an und EINER lächelt zurück, 5 wollen mich aufs Maul hauen und 14 fühlen sich von mir BELÄSTIGT!
Ich führe STRICHLISTEN mit Datum...
Dann habe ich begonnen Leute in Lonsdale und Consdaple-Pullovern zu zählen und siehe da: Es gibt mehr Lonsdale-Menschen als ZUrücklächeler.....
Dafür, dass ich das hier schreibe werden mich die Nordhessen wieder ÜBERmäßig HASSEN...was ist hier eigentlich los? Der gewöhnliche Nordhesse sagt doch immer: "Mär sann hia, dass schöneste Lanndd dö Wöld - unn wennsde was dogägen haben duuust..mussdä inne klapsmühle bisdä wida noomal sinn duust."
Außerdem steht in der HNA immer: "Kassel ist wie eine Metropole nur schöner!" AHA!
Martin Reuter am :
Wolfgang Ehle am :
Vielleicht sollte mer mal bei'me gude Jäächerschnitzel dribber redde - aach ibber de Vorschlach von deme Hans Peter ibber de Humorgerilla.
Sabine Scheffer am :
kontextrix am :
ALLES Andere, selbtverständlich nicht...oder wie oder was?!
XD
Hans Peter am :
Aber was tun? Wir brauchen ein kritisches Potential an gutgelaunten Exil-Nordhessen, welche durch Fröhlichkeit die gesellschaftlichen Strukturen verändern. Eine Art Humor-Guerilla.
Anonym am :
Auf diese Weise kann man gute Gespräche führen mit USSWÄDDIGÄN!
Leilah Lilienruh am :
Man bleibt fremd. Keine Häme, keine Schuldzuweisung, kein Lösungsansatz, nur Bedauern, denn die Gegend hier ist landschaftlich traumhaft schön.
Ein Offebäscher Mädsche
HolyMoly am :
Humorvoll betrachtet: Ich gebe auf, selbst mein Therapeut rät mir dazu ;-) liegt vielleicht eher daran, dass er auch kein Gebürtiger ist :-D
Bissig betrachtet: Mir ist meine Zeit mittlerweile zu schade, hier eine Humor-Guerilla aufzubauen (wobei ich die Idee süß fände und finde).
Eine Testreihe meinerseits: Wenn man ohne zu grüßen und mit herabwürdigendem Blick dem Nordhessen begegnet, erst dann ist er in der Lage Aufmerksamkeit zu schenken oder mal die Tagesform zu nennen.
Zudem: Jedes Gespräch an einer Schalker Tankstelle oder Düsseldorfer Deep-Szene ist erheblich tiefgründiger und erquickender als mit einem Nordhessen; so verbrachte ich schon tlw meine kurzen Urlaubstage, um über die restliche Lebens- und Arbeitszeit hier hinwegzukommen :-D
Mein Résumé: Die Gegend ist ein Traum, absolut ein Traum, wenn die Leute nicht wären. Aber: wer hier überlebt hat, der ist in der Lage ganz andere Sachen zu überstehen lach
Wolfgang Ehle am :
Aber - HolyMoly - wegziehen ist keine Lösung.
Mittlerweile im Vorderen Westen Kassels gelandet, muss ich sagen: Hier möchte ich nicht mehr weg! Ehrlich! Kann auch damit zusammenhängen, dass der Anteil der Zugereisten vergleichsweise hoch ist :))
Klaus Baum am :
Zum anderen machen die Kommentare von Martin Reuter deutlich, dass er schon damals ein großer Ermutiger war.
Martin is always so encouraging everybody.
Marlis Cavallaro am :
Zwischen Heimgekehrten und Wegziehenden gab es noch wen wie mich, die ich zwar einerseits Jahrzehnte lang "weg" war, was den Wohnsitz betrifft, allerdings stets ein Bein hier hatte und häufig zwischen "lustigem Dorf" Frankfurt-Bornheim und nit ganz so lustigem "hessisch Sibirien" pendelte....bis das Pendel in old hometown hängen blieb, denn minn Hächz hodds hunnerdemo geschbrohren, dass ämm woannersdor was fähld....un alszus wann dor Zuch nar Kassel rast' , voging mer alle Säälenlasdd un ich stiech als wie' n ganz anneres Mänsch uss....:-)
Mario Grüning am :
Diesen Text kann ich so unterschreiben!
Ich bin Hamburger, und wir sind ja schon sehr speziell aber herzlich.
Bin der liebe wegen nach Nordhessen gezogen, genauer Eschwege.
Und bereue es!
Nicht die Liebe.
Nicht die Gegend.
Sondern die Leute mit denen ich nicht kompatibel bin.
Eschwege scheint der Hotspot der Thematik zu sein.
Meine Frau und ich haben uns in Hamburg kennengelernt, ursprünglich kommt sie aus Eschwege.
Was soll ich sagen, die kurze Zeit in Hamburg hat den Nordhessen in ihr ausgelöscht.
Unser Fazit: über kurz oder lang ziehen wir hier wieder weg.
Uns schlägt der Nordhesse zu sehr aufs Gemüt.
Auch ich werde für diesen Text von allen Nordhessen gehasst.
Aber dat geiht mir am mors vorbie.
In dem Sinne.
Nich lang schnacken, Kopp in Nacken.
Wolfgang am :
Im Moment geht's doch. Da hocken alle zuhause. Nutzt die Gelegenheit, die wunderschöne Landschaft zu genießen :))