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Medienprekariat meets Konsumterror

Spaghetti Bolognese für dreihundertfünfzig oder einen guten Roten für 149 Euronen: auch das Medienprekariat lässt sich auf seinem Konsumtrip nicht lumpen.
Was soll das ganze Gejammer von wegen schlechter Zeilen- oder Bildhonorare, schwieriger Auftragslage oder zahlungsunwilliger Kunden, denen man - selbstverständlich auf eigene Kosten - per Anwalt auf den Pelz rücken muss. Manchmal läuft es derart geil, dass einen auch das vollkommen schmerzfrei lässt. So wie neulich: Ein Freund ruft an und lädt zum gepflegten Spaghettiessen ein. "Guter Plan", denke ich, "brauchste den heimischen Krisenherd nicht anzuwerfen." Wie immer muss es natürlich schnell gehen, also buche ich mir, ökologisch vorbildlich, mein cargeshartes Vehikel und sattele die Hühner, damit ich wenigstens pünktlich bin.
Große Ereignisse werfen ihre Schatten ja bekanntlich voraus, so dass ich, kaum angekommen, vor der Herausforderung stehe, vor einer riesigen CO2-Dreckschleuder mein bescheidenes Fahrzeug in die vor selbigem befindliche Parklücke zu bugsieren. Und in dieser Beziehung, dem ordnungsgemäßen Parklückenausfüllen meine ich, war ich schon immer ein echter Held.
Ich also vorwärts rein, ist ja genug Platz da. Und schon stehe ich quasi direkt vor des Kumpels Haussprechanlage und kann den Bologneseduft schon fühlen.
Als anständiger deutscher Autohalter umkreise ich vor dem Essen mein Gefährt und was sehe ich da: Ich habe eine Schmarre an der rechten Tür. Dreck.
Sofort versuche ich den Übeltäter Dingfest zu machen. Mit investigativer Analytik stelle ich messerscharf fest, dass die Schramme an meiner rechten Tür hinsichtlich ihrer ästhetischen Anmutung mit einer ebensolchen an der linken Stoßstange der CO2-Dreckschleuder korrespondiert. "Wie kann es sein, dass die Sau mir eine Schramme reinfährt?", denke ich impulsiv. Wobei mir wieder einfällt, dass dieses jeepartige Monstergerät ja schon da stand, als ich anreiste.
Mir dämmert was. Nicht dumm gelaufen, blöd gefahren, kann ich da nur sagen. Mit der Konsequenz, dass ich bei meinen Carsharerfreunden einen gepflegten Offenbarungseid abzulegen habe. Natürlich nicht, ohne vorher auf meine grundsätzlich freundliche Gesinnung bezüglich der aus dem Trikont zu uns Zugewanderten hinzuweisen: "Ja, ich habe die Schramme an den Scheiß-Touareg gefahren."
Macht dreihundertfünfzig Euro. Selbstbeteiligung. Selbst und beteiligt war ich wohl. So erschließt sich dann doch ab und an mal ein anständiges, deutsches zusammengesetztes Substantiv. Immerhin.

Und weil ich mit dem Automobil unterwegs war, gab es natürlich nur Aqua minerale con gas zum Essen und keinen guten Roten. Der wurde bei anderer Gelegenheit in der Buena Vista Social Behausung des prekären Medientravesties gereicht. Der Meister himself hatte seinen fantastischen, handgekneteten Hefeteig aufs Pizzablech gezaubert und spontan Gäste geladen. Die brachten einen ordentlichen guten Roten mit. Natürlich Bio. Entgegen der Spontiweise "Was Krupp in Essen, sind wir im Trinken" kamen wir vor lauter lecker Essen, gar nicht richtig zum Trinken. Mit dem Erfolg, das der Hausherr nach Beendigung dieses sozialen Happenings unter dem Motto "Essen ist die Sexualität des Alters" noch eine halbe Flasche Sprit am Start hat, nachdem die Gäste den Heimweg antreten.
Und weil in der abendlichen Einsamkeit immer wieder gern der Kontakt zur Aussenwelt mittels neumodischer Technikerrungenschaften gesucht wird, schmeiße ich den Laptop an, um mich als Teil des großen Ganzen zu fühlen und nicht deprimiert wie "Kevin - Allein zu Haus". Das Gerät schreit nach Nahrung, also so schaffe ich Verbindung zur nächsten Steckdose. Über Kabel gehört mein kleines Schwarzes nun zum erlauchten Stromkreis. Genau an jenem Kabel, an dem ich dann keine zwei Minuten später mit meinem prall gefüllten Weinglas hängenbleibe, um den biologisch erzeugten Rebensaft gepflegt über die Tastatur zu gießen. Dumm gelaufen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Nämlich in die unendlichen Tiefen meiner bis dahin tadellos arbeitenden Kommunkationseinheit.
Augenblicklich tilt das Sensibelchen. "Abschalten!" übernehme ich den Slogan der Atomkraftgegner. Und hoffe, es möge nicht ganz so schlimm kommen.
Kommte es aber. Kostenpunkt der Aktion: einhundertundneunundvierzig Euronen.
Wir hams ja!!!





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