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Orientierungsloses Oberbürgermeister-Quartett: Die Rettung der documenta für Kassel wird anders aussehen als sie es sich vorstellen …

Seit Januar 2022 konnten die, die lesen und analytisch denken können, erkennen oder zumindest erahnen, dass mit der documenta 15 (d15) etwas im Argen liegen könnte. Dass Antisemitismus weit verbreitet ist, überall, weiß jeder. Natürlich auch im Land der Täter: und das immer noch und in den vergangenen Jahren auch wieder in steigendem Maße. Mit der Entscheidung jedoch, das Team Ruangrupa aus Indonesien mit dem Kuratoren-Job für die d15 zu betrauen, war die Büchse der Pandora geöffnet für einen neuen Antisemitismus-Schub auf der ganz großen Ebene: Im Zenit der Kunstwelt sozusagen. Denn die documenta hat nun mal den Ruf bzw. den selbst formulierten Anspruch, die weltweilt größte Ausstellung für aktuelle Kunst zu sein. Sollte die Kunstwelt und die „große“ Politik den durch die Findungskommission legitimierten Versuch, ein mit BDS und dem „A Letter Against Apartheid“ hochgradig verbandeltes Kuratoren-Kollektiv aus einem imaginierten „Globalen Süden“ mit der Künstlerauswahl zu betrauen, am Ende klaglos akzeptieren, wäre der Damm endgültig gebrochen. Israel wäre damit aus der globalen Kunstwelt verbannt, incl. aller jüdischen KünstlerInnen: Sie wären dann mit so etwas wie einem Bannfluch belegt! Erdacht und initiiert unter kräftigem Zutun von Hamas und Hisbollah.

Nach der hurtigen Abhängung des Wimmel-Bildes „People‘s Jusitice“ von Taring Padi aus Indonesien - vermutlich kannten das die indonesischen Kuratoren recht gut, hatte das über 20 Jahre alte Werk doch schon auf vielen Ausstellungen weltweit gehangen - beruhigte sich das Entsetzen nur kurz, wie auch die Schockwelle in der Angelegenheit nur langsam abebben wollte. Nur ganz Naive glaubten, dass nach Verhüllen und Abhängen die Kunstsonne über Kassel und der d15 wieder ungetrübt scheinen würde. Das Gegenteil ist eingetreten: Bis hinein in die Gremien von Bundes- und Landtag wird gesprochen und debattiert über den Skandal von Kassel und welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien. Das können selbst vier SPD Oberbürgermeister nicht verhindern. Der Zug ist abgefahren und die Probleme werden nun längst andernorts verhandelt. Auch die Suche nach Lösungen, wie das in Kassel auf der d15 Passierte zukünftig ausgeschlossen werden kann, hat längst begonnen …

Der Ball liegt nun also, das hat das Quartett aus 3 EX- und einem aktuellen SPD-Oberbürgermeister aber noch nicht so recht verstanden, nicht mehr in Kassel und damit auch nicht mehr im Rathaus. Und schon gar nicht mehr bei Herrn Geselle, der als OB nicht nur im Management des documenta Skandals heillos überfordert ist. In völligem Unverständnis über das, was da ab Januar diesen Jahres über „seine“ d15 hereingebrochen ist, versucht er sich in verschiedenen, gänzlich ungeeigneten Techniken des „Nicht-Verstehens“, des „Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen-Wollens“ und des „plumpen Leugnens“, um mit dem Skandal zurande zu kommen. Wie alle Welt sieht, gänzlich erfolglos. Spätestens nachdem ihm sein Parteigenosse und Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier, bei der Eröffnung der d15 Nachhilfe erteilte, allerspätestens jedoch nachdem ihm sein Parteigenosse und aktueller Bundeskanzler, Olaf Scholz, mittteilte, die d15 wegen der antisemitischen Entgleisungen nicht besuchen zu können geschweige denn zu wollen, hätte Geselle das Ruder herum reißen und die Ursachen des Eklats analysieren müssen. Zusammen mit Leuten, die etwas davon verstehen, wie bspw. dem Zentralrat der Juden in Deutschland.

Das hat er aber nicht gemacht. Stattdessen hat er – weil die documenta nun mal zum wertvollsten Teil des Kasseler Tafelsilbers gehört – sich mit seinen Vorgängern zum tetraedischen Kampfverband für den Erhalt der documenta zusammen getan. Leider teilen sie offensichtlich alle Geselles Sicht auf das Problemfeld documenta–Skandal und glauben, die documenta für Kassel unverändert erhalten zu können: Auf dass sie der nordhessischen Metropole auch in Zukunft Ruhm und Ansehen einbringen möge. Ohne grundhafte und kritische Analyse der Vorgänge um die Hintergründe des beklagenswerten Skandals um Antisemitismus auf der d15 wird sich die Krise jedoch nicht beheben lassen! Und auch nicht ohne Sicherungen, die etwas Ähnliches, wie den diesjährigen Eklat verbindlich ausschließen. Die krische Analyse muss bei der Auswahl der Findungskommission beginnen und enden bei der Auswahl des Kuratoren Teams. Zu einer Wahl von Kuratoren, deren Verankerung in einem immer wieder postulierten, in Wirklichkeit aber gar nicht existierenden „globalen Süden“ weithin sichtbar war, darf sich so nicht wiederholen. Dass Geburtsorte nicht entscheidend sind genauso wenig wie Himmelsrichtungen, hat uns u.a. Okwui Enwezor bewiesen: Die von ihm auf und für d11 ausgewählten KünstlerInnen aus Afrika und anderen Teilen der Südhalbkugel zeigten, dass deren Kunst nicht mit solch teils krassen Formen von Antisemitismus und Judenhass einherging, wie wir es aktuell auf der d15 erleben …

Denn auch wenn es die vier OB’s immer noch nicht wahrhaben wollen:

Der Schaden für die zeitgenössische Kunst, für Deutschland und sein wohl gepflegtes Image als Land der Reue und des Lernens aus und nach der Shoah, aber auch für die Stadt Kassel ist nun so groß, um nicht zu sagen, kaum wieder gut zu machen, dass inzwischen viele andere Akteure auf den Plan getreten sind, um Strukturveränderungen etc. für die documenta vorzuschlagen und zu propagieren. Was sicher nötig ist, denn ein weiter so wird nicht möglich sein. Der Schandfleck des mitten in einer Weltausstellung der Kunst lancierten Hasses auf Juden in Stürmermanier ist mit dem Verwinden des Wimmelbildes von Taring Padi nicht behoben und nicht gelöscht. Zumal, auch das wird längst weltweit diskutiert, das „Opus“ von Taring Padi längst nicht das einzige Kunstwerk auf der d15 ist, das offenen Hass auf Israel formuliert. Die plumpe Kombination von Mohammed al Hawajri, vom Künstlerkollektiv „The Question of Funding“, die die Ereignisse um das von der Naziluftwaffe zerstörte Guernica im Baskenland während des spanischen Bürgerkriegs mit den Angriffen von Israels Militär auf Gaza als Folge des Raketenbeschusses von dort quasi gleichsetzt, ist blanker Antizionismus. Denn nichts anderes wird damit transportiert, als dass die Israelis die Nazis von heute sind. Oder anders: Israel ist der Jude unter den Ländern unseres Planeten!

Das 7-Punkte-Programm der vier SPD Herren geht am Problem des Antisemitismus-Skandals vorbei und wird bei der weiteren Suche nach Lösungen wohl eher nicht herangezogen werden, weil jede Selbstkritik am bisherigen Regelwerk zur Durchführung der documenta abgewehrt wird. Ohne diese Kritik, ohne die Analyse der Fehler, die zu diesem Debakel führten, wird es aber keine Lösung und keine Rettung der documenta geben. Die letzten 10 Tage haben das klar gezeigt: in der Weltpresse und im Bundestag gleichermaßen. Und dass sich die Kasseler Verantwortlichen dieser Debatte ostentativ entziehen, zeigt aktuell der für Kassel so überaus peinliche Rückzug von Meron Mendel …

Normalerweise fällt in China kein Sack Reis um, wenn das BgA Kassel etwas postet. Das weiß man. Dieses Mal war es anders. Das Medien-Gewitter brach zwar erst einige Tage nach der Veröffentlichung unseres Beitrages im Januar los, als weltweit einige große Medienhäuser ebenfalls recherchierten und unsere Untersuchung im Wesentlichen bestätigt fanden. Inzwischen jedoch, noch einmal gesteigert durch das seltsamerweise erst nach den Presserundgängen ab dem 15. Juni 2022 und auch erst nach dem Rundgang des Bundespräsidenten am Abend des 18. Juni aufgehängten antijüdischen Wimmel-Bildes von Taring Padi, beschäftigt der Kassel-Skandal die ganze Kunst-Welt: Trotz all der Krisen, die wir zur Zeit erleben. Oder anders: Inzwischen schreibt die ganze Presse-Welt zwar nicht über das BgA Kassel, vielmehr über das, was wir zu befürchten glaubten …

Und es wird, dazu bedarf es keiner prognostischen Hellsicht, spannend bleiben. Solange jedoch aus Kassel keine Impulse zur Analyse der wirklichen Hintergründe gesetzt oder zumindest zugelassen werden, vielmehr darauf beharrt wird, dass alles so bleiben muss, wie es immer war, wird nichts besser. Wer den Bund, selbst wenn die aktuelle Kulturstaatsministerin, Frau Claudia Roth, auch nicht glänzte im Vorfeld der Eröffnung der d15, aus dem Boot werfen und ihm seine Mitverantwortung für diese Weltkunstschau entziehen will, ist nicht gut beraten und wird sich bald mit dem Vorwurf der Provinzialität auseinandersetzen müssen. Die Höhe des Bundeszuschusses ist dabei völlig unerheblich. Ob aber die ManagerInnen der ganz großen Museen der Welt, wie z.B. das von Geselle ins Spiel gebrachte Manhattener MoMa, hier in Kassel Krisenmanager spielen und der angeschlagenen documenta wieder auf die Beine helfen wollen, steht in den Sternen. Vor allem zeigen solche Schnapsideen, wie der Kasseler OB gestrickt ist. Denn eins ist klar: Ein neues Regelwerk für eine documenta ohne Antisemitismus kann man nirgends einkaufen. Es muss mit der Fachwelt, kompetenten KünstlerInnen und KunstmanagerInnen aus der ganzen Welt und vor allem gemeinsam mit Bund, Land und Stadt ausgehandelt werden. Eine Herkulesaufgabe. Also für eine Stadt mit eigenem Herkules am Ende doch zu schaffen?

Am 16. Juli 2022 veranstaltet das BgA Kassel ein Diskussionsforum mit zwei Podien im Philipp-Scheidemann-Haus, Holländische Straße 74, 14.00 Uhr. Referenten sind Alex Feuerherdt und Ralf Balke bzw. Justus Wertmüller und Jan Gerber. Das erste Podium steht unter der Überschrift: BDS und die Rolle des Antisemitismus im Nahostkonflikt. Das zweite Podium befasst sich mit Antisemitismus und das Kunstwerk in der postbürgerlichen Gesellschaft

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