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Für die Abschaffung der Leserkommentare

Interaktion mit den Medien und deren Akteuren ist eine tolle Sache: Man liest etwas, findet es gut, oder auch nicht, und kann sich direkt dazu äußern. Kommentarfunktionen, Leserbrief-Spalten und Foren zu allen Themen dieser Welt bieten dem Menschen – soweit er über einen Internet-Zugang verfügt – die Möglichkeit, seine ganz persönliche Sicht der Dinge darzulegen. Mit globaler Reichweite.

Der eine schickt nur ein „Daumen hoch“, die andere schreibt eine lange Abhandlung. Die Bandbreite ist groß. Und dies gilt in mehrerlei Hinsicht.
Die inhaltliche Qualität, gestützt durch die Sachkunde des Schreibers, gibt oft Anlass zum Staunen: Hier äußert sich ein Mensch, der etwas von der Sache versteht. Oder aber einer, der Glauben mit Wissen verwechselt. Daran ist nichts auszusetzen, solange es sich auf der Ebene der allgemein akzeptierten Umgangsformen abspielt.

Extrem zugenommen hat leider die Unsitte, einen fachlich nicht ganz sattelfesten Schreiber mit hämischem Spott und Polemik zu überziehen. Hier zeigt sich ein übler Charakterzug. Die Schwäche eines anderen wird missbraucht, seine Würde mit Füßen getreten, und dies in den meisten Fällen anonym. Die extremsten Fälle finden sich im Bereich der politischen Meinungsäußerungen. Dass der Umgang der Menschen auch in der realen Welt manchmal nur mühsam durch Regeln und Konventionen eingehegt werden kann, ist schon genug Anlass zur Sorge. Aber in den Weiten des Internet fallen oft alle Hemmungen. Hier zeigt sich das wahre, das unverfälschte und unkontrollierte Wesen des Menschen.

Mangelhafte Bildung trifft auf populistischen Unsinn. Das ist die Grundlage der derzeitigen Probleme. Ein paar Beispiele: Fast alle öffentlichen Verlautbarungen der Politiker lassen sich so umdeuten, dass die Verschwörungsmythiker eine Bestätigung ihrer Spinnereien herauslesen können. Zu konstatieren ist ein Totalversagen der öffentlichen Kommunikation. Ergebnis: Siehe Impfstatistiken und Intensivbetten-Belegung. Wie kommt das? Nicht nur der Durchschnittsbürger, sondern auch der Minister hat von Viren und deren Funktionsweise keinen blassen Schimmer. Warum? Die naturwissenschaftlichen Fächer haben in den letzten 30 Jahren immer mehr an Bedeutung verloren. Elementarste Grundkenntnisse in Physik, Chemie, Biologie? Fehlanzeige.

Aber wenn ein paar Phantasten behaupten, Merkel und Bill Gates planten die Exekution der Menschen durch Corona-Impfungen mit Mikrochips, dann gibt es einen Anteil von geschätzt 20 Prozent der Menschen, die das für plausibel halten.

Anderes Beispiel, schon etwas älter: Die Kondensstreifen der hoch fliegenden Jets dienen in Wahrheit dazu, bestimmte Drogen auf die Bevölkerung herab rieseln zu lassen. Diese Chemtrails enthalten beispielsweise LSD (wäre ja noch halbwegs lustig), oder aber auch Sedativa, um das Volk ruhig zu stellen… Als wäre das nicht schon genug des Blödsinns, gibt es dann die Gruppe der aktiven Kämpfer gegen diese Vergiftung von oben. Stammvater dieser Verwirrten ist erstaunlicherweise der eigentlich sehr angesehene Psychiater Wilhelm Reich, der in den 1920er Jahren die abstruse These von einer Orgon-Energie entwickelte, die allerlei wundersame Wirkungen habe. Der von ihm konstruierte Orgon-Akkumulator ist letztlich eine Vorstufe der heutigen „hochwirksamen“ Cloudbuster. Sie sollen in der Lage sein, die giftigen Wolken in kürzester Zeit aufzulösen. Es sind selbst gebaute Pyramiden aus Kunstharz, gefüllt mit verschiedenen Metallspänen und -spiralen, Halbedelsteinen und dann gern noch mit bis zu vier Kupferrohren, die die Orgon-Energie gebündelt in die Wolken schießen. Eindrucksvolle Videobelege von sich auflösenden Wolkenformationen beweisen die Wirksamkeit (was bei unserem oft turbulenten Wettergeschehen kein Wunder ist).

Das Verdampfen von Essig-Essenz soll übrigens auch gegen die Chemtrails helfen. Wir kommen damit schon gefährlich in die Nähe der Leute, die ihren Kindern Chlorbleiche gegen Autismus verabreichen!

Die entwaffnende und oft erschütternde Naivität, aber auch der unerschütterliche Glaube an das Übersinnliche, lassen einen ratlos zurück. Darauf angesprochen, erlebt man unter Umständen eine aggressive und explosive Abwehrreaktion. Sachliche Diskussion ist unmöglich.

Zurück zum täglichen Geschehen in den Internet-Foren und -Kommentaren. Es gibt sie noch, die Orte, wo man sich sachlich austauscht, sich informiert und gegenseitig hilft. Das ist tröstlich, aber ein Minderheitenphänomen.

Eine universelle Beobachtung über alle diese medialen Aktivitäten hinweg – positiv oder negativ – will ich hier nicht unterschlagen. Es ist die grassierende Unfähigkeit zum richtigen Gebrauch der Sprache: Rechtschreibung, Zeichensetzung, Satzbau, Ausdrucksfähigkeit. Das allgemeine Sprachniveau und die Beherrschung einfachster Regeln sind an einem unfassbaren Tiefpunkt angelangt. Und dies oft unabhängig von der fachlichen Kompetenz des Schreibers. Dabei geht es nicht primär um ein verletztes Stilgefühl, sondern schlicht um die Verständlichkeit und Eindeutigkeit von Aussagen! Der Vollständigkeit halber sei hier noch angemerkt, dass es heute ganz sicher auch nicht eine einzige fehlerfreie Zeitungsseite gibt. Defizite also auch bei den Medienmachern – von taz bis FAZ!

Interessant ist dennoch, dass es eine klare Korrelation zwischen Bildungsferne, Rechtschreibschwäche und Anfälligkeit gegenüber Verschwörungstheorien und Rechtslastigkeit gibt.

Nicht weiter behandelt werden soll hier das Gendern, das allzuoft mit Grammatikschwächen eine unheilvolle Allianz bildet. Die Meinung des Verfassers dazu ergibt sich dem Lesekundigen schon aus diesem Text.

Die eingangs erhobene Forderung, Leserkommentare abzuschaffen, möchte ich nicht aufrecht erhalten. Manchmal finden sich doch echte Perlen darunter. Aber es ist schon lästig, die zwischen all dem Müll herauszufinden.

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Kommentare

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Veronika B. am :

„Interessant ist dennoch, dass es eine klare Korrelation zwischen Bildungsferne, Rechtschreibschwäche und Anfälligkeit gegenüber Verschwörungstheorien und Rechtslastigkeit gibt.“

Das ist eine steile These, die nicht unwidersprochen bleiben kann. Welcher ernsthafte Wissenschaftler hat diese Aussage denn gewagt und hinreichend belegt?

Kein Gegenbeweis, einfach nur eine Vermutung: ich vermute dass Anhänger von Verschwörungstheorien eher im Vorderen Westen zu finden sind als in Rothenditmold. Rechtslastigkeit findet sich nicht zu knapp auch bei akademisch dekorierten Menschen – die Leserbriefe (und Kommentarspalten) in der HNA sind Beleg dafür (und unzählige weitere Belege könnten aus Geschichte und Gegenwart erbracht werden). Und die Qualität von Aussagen nach „Rechtschreibung, Zeichensetzung, Satzbau“ zu bewerten, das kann nicht ernst gemeint sein – oder?

Schade, denn solche Verallgemeinerungen rücken einen ansonsten lesenwerten Beitrag in eine Schieflage.

Wolfgang am :

Zur Klärung: Korrelation heist nicht Deckungsgleichheit!

Und ich bewerte nicht die Qualität eines Beitrages nach seiner Rechtschreibung, sondern stelle fest, dass es da oft einen Zusammenhang gibt.

"...mehr Verschwörungstheoretiker im Vorderen Westen als in Rothenditmold" - da bin ich sowas von voll bei dir!

Gertrud am :

Aha, das war ein Aufhänger, das mit dem Kommentar. Wehe, er wird abgeschafft. Wäre es vielleicht ein Kompromiss, wenn die einen das glauben dürfen und die anderen das andere? Ich erinnere mich an den Irak (Senfgasfabriken), an Vietnam, an Watergate etc. Es gibt tatsächlich verschiedene Interpretationen von Wirklichkeiten, die man im Nachhinein besser erkennt, als in der aktuellen Situation.

Wolfgang am :

Jeder möge nach seiner Facon selig werden.... Natürlich kann ich Wirklichkeiten verschieden interpretieren. Aber es gibt nur eine Wirklichkeit. Ergo gibt's nur eine richtige Beschreibung derselben. Alle anderen sind falsch oder eine mehr oder minder grobe Annäherung.

Und: Bei Schwachsinn a la "Essig verdampfen gegen Chemtrails" hört's dann doch auf.

Veronika am :

Okay, Essig taugt nur für Salat, und wahrscheinlich gibt es nur eine Wirklichkeit.
Aber das ERGO mit nur einer richtigen Beschreibung ist schiere Behauptung, denn schon im Bereich der Wirklichkeit 'Natur' sind unsere Wahrnehmungsfähigkeiten eingeschränkt, reichen z.B. nicht einmal für elektrische Wellen (Radio) oder Magnetismus aus.
Wie 'richtig' kann dann eine Wahrnehmung von sozialen Zusammenhängen sein, die viel komplexer sind? Schon eine ordinäre Vollversammlung kann mit mathematischen Methoden nicht mehr beschrieben werden.

Wolfgang am :

"Ergo gibt's nur eine richtige Beschreibung derselben. Alle anderen sind falsch oder eine mehr oder minder grobe Annäherung."
Wo steht hier, dass ich die einzig richtige Beschreibung für irgend etwas habe?

Ausserdem: Mein Thema war eigentlich die Korrelation (nicht Kongruenz!) zwischen Bildungsferne, Rechtschreibschwäche und Anfälligkeit gegenüber Verschwörungstheorien und Rechtslastigkeit - s. oben.

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