Kommentar: Politisch-historische Gleichberechtigung
Einer dieser bildverliebten Infotainment-Sendungen von ZDF-History und ihren medialen Hitler-Verewigungen entnehme ich soeben, dass der große und kleine Nazi zwei Feinde hatte: den Juden und den Kommunisten. Während sich nun nachträglich eine starke Kraft für die Juden erhebt, ist dies bei den Kommunisten nicht der Fall. Dem "Westen" beliebt es, weiterhin auf dem Klavier des Antikommunismus zu spielen, das zur Konstitution der USA gehört. Dazu selbst der konservative Thomas Mann:
"Sie sehen, daß ich in einem Sozialismus, in dem die Idee der Gleichheit die der Freiheit vollkommen überwiegt, nicht das menschliche Ideal erblicke, und ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche. Dieses Wort gleicht tatsächlich einem Schreckgespenst für Kinder. Der Kommunismus ist der Gottseibeiuns der Bourgeoisie, genau so wie um das Jahr 1880 bei uns in Deutschland die Sozialdemokratie war. Das war damals, unter Bismarck, Inbegriff aller sansculottischen Zerstörung und Auflösung, des chaotischen Umsturzes. Ich höre noch unseren Schuldirektor, als einige böse Buben unter uns Tische und Bänke mit dem Messer zerschnitten hatten, uns anfahren: 'Ihr habt Euch benommen wie die Sozialdemokraten!' Heute würde er sagen: Wie die Kommunisten!, denn der Sozialdemokrat, das ist unterdessen ein kreuzbraver Mann geworden, vor dem niemand sich fürchtet." Mann, Thomas (1990): Schicksal und Aufgabe [Rede 1943]. In: Thomas Mann: Reden und Aufsätze ; 4. Ungekürzte Ausg. Frankfurt am Main: Fischer (Gesammelte Werke, 12), S. 934.
Kommentare
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Marlis Cavallaro am :
Historisch fortgeschrieben könnte man wohl allerdings anstelle des Wortes "kommunistisch" "linksgrünversifft", "Linkschaoten" und
weitere aktuelle Bezeichnungen setzen. Mit "Kommunistisch" war einerseits die historische
Spielart gemeint, auf die bezogen ich mich auch als "antikommunistisch" würde bezeichnen können, damit wäre aber in meinem Fall gemeint:antitotalitaritisch, antistalinistisch...andererseits und gleichzeitig verdächtigte der historische Antikommunismus jedwede kritische und querdenkende Haltung entweder selber "kommunistisch" zu sein, oder "nützliche Idioten" für die Kommunisten. Echt irre, wenn heutzutage zugleich mit dem Hass aufs "Linksgrünversiffte" in rechten Online-Kommentaren die Sehnsucht nach den klar autoritär Ordnung schaffenden alten stalinistischen Sturkturen ("kommunistischen") der Ex-DDR deitlich durchklingt. BD
MR am :
Klaus Baum am :
Ich belasse es erst einmal mit dieser allgemein gehaltenen Bestimmung.
MR am :
Zurück: Paul Sering (alias Richard Löwenthal, später Mitglied der SPD-Grundwertekommission) hatte bereits 1946 Marx zu einer Diesseitsreligion gerechnet (was er tatsächlich teils auch ist), das Projekt sei "zu totalitärem Missbrauch geeignet" (in der Tat!) und man habe es vorzuziehen, "das missverständliche Etikett zu vermeiden"! ("Jenseits des Kapitalismus")
Schon "Marxismus" ist ein misswirtschaftlicher "Oberbegriff"; man verfolge nur die absurden Kapriolen, mit denen sich die Sowjet-Ideologen (mit Hilfe schlechter Engels-Schriften) erdreisteten, einen Marxismus-Leninismus zusammenzuschustern und später mit Hilfe von Erschießungskommandos zur kommunistischen Religion zu erklären. Wieviel Marx soll denn in dieser tödlichen Wassersuppe gewesen sein? Das ist heute nur noch kabarettreif.
Andere Beispiele für Oberbegriffe: Was soll denn wohl "die" Gesellschaft sein? Oder "die" Natur? Was hat wohl ein Korallenriff mit einem Bären oder einer Venusfalle zu tun?
Hier ist entschiedener Wortwiderstand gegen den "Willen" zu jener "Schachtel" (Egon Friedell) angebracht, in der sich die hegemonialen Difinitionen sammeln.
Klaus Baum am :
Klaus Baum am :
Genus proximum et differentia specifica
MR am :
Auf den konkreten Fall angewendet: "den" Kommunismus gibt es nicht, er ist sowieso nur ein sortierender Begriff und ein knochiges Gerüst im Füllfleisch der Unwissenheit. Es gibt vielleicht Kommunismüsse, die einen Guru oder Anti-Guru (zB Sir Karl Popper) brauchen, von denn sich 90% zu Unrecht auf Marx berufen. Dieser nun schrieb nach Überlieferung von Engels an Bernstein: „Ce qu'il y a de certain c'est que moi, je ne suis pas Marxiste.“ Dazu Derrida, Gespenster: "Müssen wir uns erst bei ihm die Erlaubnis holen, dasselbe zu sagen?"