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Wenn Glühwürmchen Energie sparen...

Joséphine Vigier (*1994)
Einmal Cartoonist sein, eine eigene Ausstellung haben und die Ideen mit der Welt teilen... Diese Chance nutzten Jugendliche und junge Erwachsene im Rahmen des Cartoon-Workshops „Ausgepowert?!“.

Es ist Samstagvormittag. In einem hellen, großen Raum auf dem Uni-Campus herrscht eine hochkonzentrierte Arbeitsatmosphäre. Man hört das Kratzen der Stifte auf dem Papier. Ein Geräusch, welches nur hin und wieder durch ein Flüstern unterbrochen wird. Nein, es ist kein Seminar und auch keine Vorlesung. Es ist ein Cartoon-Workshop für Kinder und Jugendliche unter der Leitung des renommierten Cartoonisten Stephan Rürup. Langsam bewegt er sich durch den Raum und schaut den Teilnehmern über die Schulter. „Das ist ja total gerissen!“, lobt er einen Jungen, rückt sich einen Stuhl zurecht und setzt sich zu ihm, um dessen gelungene Idee genauer zu betrachten.
Stefan Rürup und Pauline Brämer
Bereits seit Mittwoch läuft „Ausgepowert?!“, der Cartoon-Workshop zur Energiewende. Caricatura Galerie, der Verein „Kopiloten e.V.“ und die Stadt Kassel haben für die Teilnehmer zwischen 14 und 21Jahren ein spannendes Programm vorbereitet. In den ersten drei Tagen führten die Organisatoren die jungen Künstler an die Themen Energiewende und Cartoon heran. Durch Alliterations-, Erklär- und Rollenspiele erörterten Philipp Meyer und Ralf Kemmerer vom „Konsumkritischen Stadtrundgang“ der Kopiloten die wesentlichen Fachbegriffe. „Wir wollten, dass es Spaß macht, aber auch politisch weiterbildet“, sagt Philipp Meyer „und es sollte sich auf jeden Fall nicht wie Schule anfühlen.“ Stephan Rürup erläuterte die Vorteile und Tücken des Genres. „Ein Cartoon ist schnell, präzise, unerschöpflich. Man kann sich in dieser Kunstform alles erlauben, selbst bei heiklen Themen. Kriege, Gott, Katastrophen, Dinge, die ein Mensch kaum bewältigen kann, werden dadurch entkrampft.“ In der Führung durch die aktuelle Ausstellung in der Caricatura Galerie konnten sich die Teilnehmer davon ein Bild machen, bekamen Gelegenheit, Ideen zu sammeln und erste Cartoonversuche zu machen, wobei sie vom Workshopleiter mit Tipps und Tricks unterstützt wurden.

Der Witz ist das Ziel
Am Wochenende zog die Workshopgesellschaft aus den Räumen im Kulturbahnhof dann auf den Uni-Campus. Um zehn Uhr stand für die jungen Künstler alles bereit: Materialien, wie Papier, Farbe, Wolle und Buntstifte, Getränke, Snacks sowie ein Recherche-Bereich mit zwei Laptops. Eine Schnur mit Papierhaltern hing für fertige Ausstellungsstücke bereit. „Um zu sehen, wie die spätere Ausstellung entsteht“, erklärt Stephan Rürup bei seiner kurzen Einleitung. „Es ist purer Luxus für einen Künstler, dass man noch gar kein Material hat und schon weiß, dass eine Ausstellung sattfindet. Nutzt es aus!“, setzt er motivierend hinzu.
Stefan Rürup und Patrick Balow

Das nahmen sich die jungen Künstler zu Herzen und gingen konzentriert ans Werk. Binnen kürzester Zeit hingen die ersten Cartoons an der Schnur.
Die Schnur mit fertigen Cartoons
„Die Teilnehmer sind künstlerisch sehr weit und auch thematisch sehr interessiert“, bemerkt Stephan Rürup. Dies bewiesen auch die spannenden Ideen und ihre Umsetzung: ein totes Atomkraftwerk, eine Bürste als effiziente Spülmaschine und ein Glühwürmchen statt der üblichen Glühbirne – der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. „Meine Figur ist Oma Erna“, sagte Patrik Balow. „Ich erzähle eine Geschichte in drei Bildern, die sowohl das Thema Altersarmut als auch die Konsumgesellschaft mit einschließt.“ Seine Idee: Oma Erna strickt Mützen für Häuser als Wärmedämmung und als sich alle eine besorgt haben, kommen statt der Mützen die Hauspullover der Rentnerin in Mode, die sich so eine goldene Nase verdient. „Das Schwierige ist witzig zu sein“, stellte der 14-jährige Teilnehmer fest. „Ein Thema deutlich und verständlich abzubilden und daraus einen Witz ziehen, fällt mir echt nicht leicht.“ Das bestätigen auch andere Teilnehmer. „Häufig hat man eine Idee und kriegt sie nicht verständlich aufs Papier“, sagte Pauline Brämer. Doch das ist nicht nur für die Neulinge eine Hürde. „Cartoon ist ein Medium der kurzen Sprache. Es ist kein Roman, es ist ein Gedicht. Es ist schwierig den Gedanken prägnant auszudrücken. Die Zeichnung muss dabei gar nicht so deutlich sein“, erklärte Stephan Rürup, der sich ebenfalls schon des Öfteren künstlerisch mit dem Thema „Energiewende“ auseinandergesetzt hat.

„Stromsparen war mal einfach“
Annika Kersten (*1997)
Aber der Witz war nicht das einzige Problem, mit dem sich die Teilnehmer beschäftigten. Die Gestaltung der Cartoons, ob bunt oder schwarz-weiß, erforderte viele Entscheidungen. Die Größe der Cartoons sowie die Frage, ob die Idee verständlich rüber kommt, diskutierte Stephan Rürup mit den Teilnehmern und in der Gruppe ausführlich. Niemand blieb mit seinen Fragen allein. Zu inhaltlichen Fragen standen Philipp Meyer und Ralf Kemmerer den Künstlern im Laufe der beiden Tage hilfreich zur Seite. Und das Interesse am Thema war enorm. „Die Energiewende ist wichtig. Es gibt viele Argumente dafür und dagegen. Man muss sich weiter damit auseinandersetzen“, sagte Patrik Balow. Auch Pauline findet das Thema spannend. „Ich interessiere mich für Politik. Bei meinen Motiven überlege ich, was man an der heutigen Situation kritisieren kann und lege mir total abgedrehte Lösungen zurecht. Zum Beispiel habe ich eins gemacht, da kriegen alle Menschen ihren Atommüll nach Hause geliefert.“
Nur eine der vielen spannenden Lösungen, die ihren Weg aufs Papier gefunden haben. Am Sonntagnachmittag waren bereits vier Schnüre an den Wänden des Raumes voll mit Cartoons und die Nachwuchstalente von dem langen kreativen Prozess erschöpft. „Die Teilnehmer waren sehr produktiv. Viele sind im Großen und Ganzen auch schon durch“, berichtete Stefan Rürup.
Pauline Brämer bei der Arbeit
„Mir fällt nichts mehr ein“, sagte Pauline Brämer. Aber das muss es auch nicht, denn es ist genug Material für eine Ausstellung vorhanden. Cartoons in Farbe und schwarz-weiß, gemalt mit Wasserfarben, Acryl, Buntstiften und Markern, zu allen Themenbereichen der Energiewende. „Ich bin begeistert, einfach hin und weg von euren Ideen, der Umsetzung und eurem Durchhaltevermögen. Es hat Spaß gemacht, euch zuzusehen und mich von euch begeistern zulassen“, verabschiedete sich Stephan Rürup von den Teilnehmern.

„Eine schöne Ausstellung“
Pauline Brämer (*1998)
Die entstandenen Cartoons konnten bereits Anfang Mai im Rathaus begutachtet werden. Vom 23. Mai bis zum 19. Juli wird auch die Caricatura Galerie die Werke der jungen Künstler ausstellen. „Ich bin sehr glücklich und zuversichtlich, dass wir damit eine schöne Ausstellung machen können“, sagte Saskia Wagner von der Caricatura und verwies darauf, dass die Ausstellung anschließend als Onlineausstellung und Wanderausstellung in ganz Deutschland angeboten wird und vielleicht sogar darüber hinaus. „Erwartet eure Bilder also nicht in der nächsten Zukunft zurück. Die letzte Ausstellung ist bereits seit drei Jahren unterwegs“, informierte sie die Teilnehmer. Rosige Aussichten für die neuen Cartoonisten.

Info:
Achtung Hochspannung!
Ausstellung: 23. Mai – 19. Juli, Caricatura

Die Doppelausstellung präsentiert die Cartoons aus der EnBW-Sammlung sowie die Ergebnisse des Cartoon-Workshops „Ausgepowert?!“
Info: www.caricatura.de

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