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Bürgerinitiative Stadtteilbibliotheken: "Wir sammelten 8000 Unterschriften in zehn Tagen"



Download: 2013-06-Joerg-Kleinke-Stadtteilbibliotheken.mp3

Jörg Kleinke, hier mit Dr. Sabine Werner am Info-Stand
Bis zu Kassels erstem Bürgerentscheid war es ein weiter und bürokratischer Weg. Jörg Kleinke, Vertrauensperson der Initiative „Erhalt der Stadtteilbibliotheken“ erzählt, wie viel Mühe es kostete, damit bis zum 30. Juni die Kasseler Bürger die Möglichkeit eingeräumt bekommen, für oder gegen den Erhalt der drei betroffenen Büchereien abzustimmen.

Der Audio Stream mit einem kurzen Interview mit Jörg Kleinke bietet einen Einblick in das Thema sowie ein paar Ergänzungen, denn mit dem ausführlichen Interview geht es diesmal in Textform weiter.
Miriam Claus: Jörg, was hat dich dazu getrieben, dieses Bürgerbegehren zu initiieren?
Jörg Kleinke: Das Bürgerbegehren ist ja eigentlich nur eine Folge einer gescheiterten Bürgereingabe, die wir Anfang Dezember 2012 abgegeben hatten. Neben mir haben noch drei weitere Personen eine Eingabe gemacht. In dem Eingabe-Ausschuss wurden diese dann abgelehnt, so dass absehbar war, dass sie auch von der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt werden. Einige Leute von der Kirchditmold-Initiative waren in dem Eingabeausschuss und so entstand relativ kurzfristig der Entschluss, ein Bürgerbegehren zu starten Wir sahen das als letzte Möglichkeit an, hier überhaupt noch etwas zu unternehmen.

MC: Kannst du kurz erläutern, was eine Bürgereingabe ist?
JK: Ja, die Eingabe ist das, was man gemeinhin als Petition kennt. Es heißt hier in Hessen eben Eingabe. Jeder einzelne Bürger ist berechtigt, so eine Eingabe zu machen. Die wird dann zunächst in dem entsprechenden Eingabe-Ausschuss bearbeitet. Da sitzen dann Vertreter der Fraktionen, und die geben dann eine Empfehlung an die Stadtverordnetenversammlung (StaVo) weiter. Die Mehrheiten, die man im Eingabe-Ausschuss vorfindet, entsprechen auch denen in der StaVo, so dass sich auch daraus schon ableiten lässt, wie die StaVo in der Regel abstimmen wird. Das sieht dann halt so aus, wie es eben schon vorher in den Ausschüssen war.

MC: Wie viele Personen haben sich für diese Petition bzw. Bürgereingabe verantwortlich gezeigt?
JK: Also ich habe eine gemacht und zwar eine für alle drei Stadtteilbibliotheken. Dann waren da noch aus den drei verschiedenen Stadtteilen Leute, die auch eine für die jeweils entsprechende Stadtteilbibliothek eine gemacht haben, also im Fasanenhof, in Kirchditmold und in Bad Wilhelmshöhe.

MC: Sind diese Mitstreiter nun auch in der Initiative dabei?
JK: Zum Teil sind sie noch im äußeren Umfeld, zum Teil auch gar nicht mehr dabei. Denn dem ein oder anderen wurde das, was dann kam, zu politisch.

MC: Was bedeuten für dich persönlich die Stadtteilbibliotheken?
JK: Von meiner Seite aus: Ich weiß sie halt sehr zu schätzen, weil ich die Stadtteilbibliothek bei uns von klein auf kennengelernt habe. Und ich nutze sie auch weiterhin. Außerdem wird das von Generation zu Generation weitergegeben, mein Sohn nutzt sie nun auch und geht genauso wie ich damals hin, um sich Bücher auszuleihen. Ich erinnere mich noch daran, wie gerne ich mich dort aufgehalten habe und später meine Bücherstapel nach Hause schleppte. Stadtteilbibliotheken sind einfach eine wohnortnahe Einrichtung und von der Qualität her nicht mit einer Zentralbibliothek zu vergleichen. Dort ist ein ganz anderes Erleben möglich, die Atmosphäre ist eine völlig andere als in einer Zentralbibliothek. Sicher, die ist genauso wichtig, aber der Fokus ihrer Aufgaben liegt woanders, bei Dingen wie Rundumversorgung und höchstmögliche Aktualität.

MC: Also sind Stadtteilbibliotheken familienfreundlich?
JK: Gerade die Wohnortnähe ist es ja, die in vielen Wahlprogrammen von den Parteien drinsteht, die diese Schließung beschlossen haben. Das Stichwort ihrer Zukunftskonzepte ist: wohnortnahe Bildungseinrichtung. Das ist überall zu finden! Genau um diese Sache geht es hier. Teilweise werden auch explizit die Stadtteilbibliotheken als Beispiele für wohnortsnahe Bildungseinrichtungen genannt. Also werden Stadtteilbibliotheken insgesamt als wichtig erachtet, nicht nur von mir, sondern auch von vielen politischen Parteien. Na, und von Bildungsexperten sowieso.

MC: Wie hast du von den Schließungsplänen erfahren?
JK: Ich habe morgens die Zeitung aufgeschlagen, so wie wahrscheinlich alle anderen auch – also abgesehen von dem kleinen Kreis, der sich damit befasst hatte und es vorher schon wusste. Auch die Mitarbeiter und Ortsbeiräte haben das alles aus der Zeitung erfahren, so dass man wenig Möglichkeiten hatte, darauf zu reagieren.

MC: Der Beschluss, die Stadtteilbibliotheken wurde ja offiziell am 10. Dezember 2012 gefasst...
JK: Ich vermute, welche Sparmaßnahmen da genau erfolgen werden, das stand vom Magistrat wohl schon länger fest. Aber es wurde geheimgehalten und erst einen Monat vor der entsprechenden Stadtverordnetenversammlung bekanntgegeben.

MC: Glaubst du, die Schließungen der Stadtteilbibliotheken waren schon länger eine abgemachte Angelegenheit?
JK: Ja. Die Stadtteilbibliotheken waren immer schon bedroht und wurden regelmäßig ins Feld geführt, wenn es um Sparmaßnahmen ging. Beschlossen wurde aber nichts.

MC: Wie viel Zeit blieb euch unter diesen Umständen, um das Bürgerbegehren auf den Weg zu bringen?
JK: Es blieben ab dem Tag des Beschlusses acht Wochen. Allerdings hatten wir in unserem Fall nur zehn Tage Zeit, um 4400 Unterschriften zu sammeln – das war schon fast ein aussichtsloses Vorhaben. Es musste ja auch erst noch alles vorbereitet werden, wie zum Beispiel der Text selbst. Solche Formulierungen müssen juristisch einwandfrei formuliert sein. Das brauchte noch ein paar Tage Vorbereitungszeit, so dass uns dann noch effektiv zehn Tage zum Sammeln blieben.Wir haben trotzdem immer an den Erfolg dabei geglaubt. Ja, und am Ende waren es auch 8000 Unterschriften, die von den Bürgern abgegeben wurde und die wir einreichen konnten. Bei 5000 gültigen Stimmen wurde übrigens schon aufgehört zu zählen, weil das eben schon ausreichend war, um das Begehren zuzulassen, da auch rechtlich nun keine Bedenken bestanden.

MC: Verlief danach alles zufriedenstellend oder hast du das Gefühl, dass euch Hürden in den Weg gelegt wurden?
JK: Naja, ich denke, ich denke da an diese Geschichte mit dem Wahltermin. Zuerst schlug uns der Oberbürgermeister selbst vor, dass man diese Wahl im Grunde mit den Bundes- und Landtagswahlen zusammenlegen könnte. Doch plötzlich war davon keine Rede mehr. Man hat dafür gesorgt, dass die Beschlussfindung so lag, dass man die Wahl später mit nicht mehr gleichzeitig mit den Bundes- und Landtagswahlen laufen lassen konnte. Eine weitere Sache war der etwas missverständliche Text, der als Bürgerinformation mit den Wahlunterlagen an die Haushalte verschickt wurde als öffentliche Bekanntmachung. Hier konnte der Eindruck entstehen, dass der Bürgerentscheid zwecklos ist.

MC: Müssen denn eigentlich andere soziale Einrichtungen darunter leiden, sollten die Stadtteilbibliotheken nun doch erhalten bleiben?
JK: Das wird immer gerne als mögliche Drohgebärde von der ein oder anderen Seite aufgebaut. Aber ich denke, wenn man sich davor jetzt verschrecken lässt, dann kann man sich gegen gar nichts mehr wehren. Eine Gegenfinanzierung würde ich vertrauensvoll in die Hände der StaVo legen. Die werden dort sicher eine sozial verträgliche Möglichkeit, ohne dass man Kultur, Bildung und Soziales gegeneinander ausspielt.

MC: Warum ist es nicht gleichbedeutend, wenn die drei betroffenen Stadtteilbibliotheken ehrenamtlich weitergeführt werden?
JK: Weil dann ein ganz entscheidendes Merkmal einer Stadtteilbibliothek wegfällt, nämlich die Anbindung an die Zentralbibliothek. Denn sonnst ist es einfach keine Stadtteilbibliothek, sondern vielleicht noch ein Lesetreff. Das heißt: Es ist nicht möglich, mit rein ehrenamtlichem Personal eine Stadtteilbibliothek weiterzuführen.

MC: Es heißt, die Stadtteilbibliotheken werden nicht genug genutzt.
JK: Die Nutzungszahlen der Stadtteilbibliotheken sind im Verhältnis zu der Zentralbibliothek sehr, sehr gut! Man muss in diesem Verhältnis auch die kurzen Öffnungszeiten der Stadtteilbibliotheken bedenken. Noch einmal zum Ehrenamt: Man könnte durchaus daran denken, diese Öffnungszeiten mit ehrenamtlicher Unterstützung zu erweitern, um eine noch größere Attraktivität herzustellen. Generell denke ich, es sollte eher ein Ausbau der Stadtteilbibliotheken ins Auge gefasst werden werden, als an ihre Schließung zu denken. Es ist schließlich auch eine Begegnungsstätte in den Stadtteilen – und dass die Menschen wieder mehr zueinander finden, ist etwas, was allerorten gefordert wird.

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Kommentare

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Baier am :

Gibt's denn einen Flyer, den man im eigenen Wohnumfeld verteilen könnte?
Wenn möglich zum Herunterladen.

Miriam Claus am :

Eine gute Frage: Unter www.buergerentscheid-kassel.de findet man besagte Homepage der Bürgerinitiative. Beim Unterpunkt "Wie kann ich helfen" auf der linken Bildschirmseite gibt es möglicherweise schon Hinweise, auf jeden Fall aber die Kontaktmöglichkeiten.

paul greim am :

auf unserer homepage können flyer, Plakate, die filmspots und anderes heruntergeladen werden.

grüße

paul

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