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Filmrezension: »ALIEN« von Behrooz Karamizade

Filmplakat »ALIEN« von Behrooz Karamizade (Kunsthochschule Kassel)
„Wo versteckst du dich, wenn du dich nirgends verstecken kannst? Bahar glaubt einen Weg gefunden zu haben.“

Am ersten Februarwochenende hatte im Bali-Kino der Abschlussfilm ALIEN von Behrooz Karamizade (Abteilung Film und Fernsehen in der Kunsthochschule) Premiere. Gegenstand des 19-minütigen Kurzfilms ist ein Gedankenspiel des Regisseurs zu seiner eigenen Biografie. Für einen Samstag Nachmittag war das Große Bali sehr gut besucht.
Handlung

Ein Mann und seine Tochter Bahar bereiten sich auf die Flucht in ein fremdes Land vor. Wichtigstes Handwerkszeug dabei: nicht als Fremder (engl. alien) auffallen. Bahars Vorschlag: Die Hände vor das Gesicht halten, um unsichtbar zu werden. Ihr Vater hält nicht viel davon und schärft ihr ein, sich wie die Passanten zu verhalten und nicht zu sprechen. So machen sich beide auf den Weg durch das Gleisvorfeld eines Bahnhofs in die vermeintlich neue Heimat. Während sie im Bahnhof einem menschlichen Bedürfnis nachgeht, fällt ihr Vater zwei Polizisten auf, die ihn kurzer Hand festnehmen und abführen.

Auf sich allein gestellt, sucht Bahar erst den Bahnhof ab und zieht dann durch die Straßen der großen, bedrohlich wirkenden Stadt. Zwischen Lärm, Abgasen, Autoverkehr und Fußgängerströmen wirkt sie verloren – bis sie eine orientalische Zeremonie mit Bauchtanz entdeckt, die sie an ihre Herkunft erinnert. Vorsichtig und ein wenig schüchtern betritt sie das Lokal, ohne aufzufallen. Sie folgt der Bauchtänzerin in die Garderobe, doch während sie dabei von Resten des Büfetts isst, nimmt die Tänzerin ihre langen schwarzen Haare ab und europäisches blondes Haar kommt zum Vorschein. Erschrocken rennt Bahar davon.

In einem Park zwischen den Hochhäusern der Stadt verschnauft sie vom Weg zum Erwachsenwerden, den sie an diesem Tag schon gehen musste. Bei der Jagd nach Hasen auf den grünen Wiesen des Parks kann sie wieder Kind sein – als Fremde unsichtbar für die Stadt. Am nächsten Tag sucht sie wieder auf dem Bahnhof nach ihrem Vater. Plötzlich taucht ein Polizeihund in Begleitung von zwei Polizisten vor ihr auf. Sie wird mitgenommen und trifft in der Zelle wieder auf ihren Vater. Doch wenn beide die Hände vor die Augen nehmen, können die anderen sie nicht sehen.

Forschung und Verantwortung: Grenzen, die aufgezeigt und überwunden werden

ALIEN spielt zwar mit einem Aspekt aus Behrooz Karamizades Biografie, ist allerdings nicht autobiografisch. Seine Familie stammt ursprünglich aus dem Iran und musste mehrmals fliehen, bis sie irgendwann in Westdeutschland angekommen sind. Sein Vater war dabei immer derjenige, der die Familie angetrieben und ermuntert hat, nicht aufzugeben. Das Gedankenspiel ist daher, was wäre ohne den Vater passiert? Im Film geht es daher um einen Vater mit seiner Tochter, die Mutter kommt nicht vor. Durch die Wahl eines Mädchens wird zusätzlich Spannung aufgebaut – als „Stolz der Familie“. Das Warten des Vaters vor der Damentoilette stellt sich zudem als der kritische Moment heraus, in dem er verhaftet wird und für Bahar erst einmal nicht mehr da sein kann. Sie treffen sich zwar am Schluss des Films wieder, was zwar durchaus erfreulich ist, das Ende aber trotzdem offen lässt. Denn so Karamizade: Man ist immer auf der Flucht. Kinobesucher mit ähnlichem Hintergrund berichteten anschließend, dass sie sich mit diesem Film daher sehr gut identifizieren können.

Neben der Verantwortung für die Geschichte hat ein Regisseur auch Verantwortung für die Crew und seine Schauspieler, was manchmal zu ungeplanten Herausforderungen führt. Der zuerst eingesetzte Polizeihund (der Bundespolizeidirektion am Hauptbahnhof Frankfurt am Main) und die Schauspielerin hatten beide Angst voreinander, die sich gegenseitig verstärkte. Erst mit einer älteren Diensthündin konnte gedreht werden. Und wie Hasenjagd im Park zeigt, wird diese Verantwortung manchmal belohnt, denn die Szene entstand spontan nach einem langen und anstrengenden Drehtag.

Zwei Städte verschmelzen zu einer

Der Film wurde in Frankfurt am Main (Hauptbahnhof, Großstadt, Park) und Kassel (Kulturbahnhof und eine Bar) gedreht, wobei der Zusammenschnitt so gut gelungen ist, dass beide Städte zu einer typisch deutschen Großstadt verschwimmen. Dies ermöglichte es, je nach Bedarf entweder die Großstadt (Hauptverkehrszeit auf dem Bahnhof) oder ein Detail (Festnahme vor der Bahnhofstoilette) zu zeigen. Dabei sind auch wunderbare kurze Szenen entstanden, die dem Film neben der Geschichte zusätzliche Größe verleihen. Das ist einmal der menschenleere Frankfurter Hauptbahnhof – aufgenommen nachts um zwei Uhr – und der „Kameraschwenk“ von der rennenden Bahar zur Skyline vom Maintower aus und dann hinunter in den Park.

Und hier im Park machte sich nach Aussage des Regisseurs die verwendete Kamera bemerkbar: Die Lichtsensoren sind empfindlich genug, dass die Hasenjagd ohne zusätzliches Licht gefilmt werden konnte. Zusätzlich versucht der Hersteller mit Hilfe der Sensoraufteilung der Empfindlichkeit des menschlichen Auges Rechnung zu tragen. Da im Sonnenlicht „am meisten“ grün enthalten ist, sind die Augen auf diese Farbe am empfindlichsten.

Volles Haus im Bali

Zur Premiere mit anschließendem Umtrunk waren am Samstag Nachmittag genug Filmfreunde gekommen, um im Großen Bali nur wenig Sitzplätze frei zu lassen. Selbst der „Stammplatz“ vor dem Filmprojektor war gefragt. Angesichts des Lobes und der Anerkennung des Publikums für Behrooz Karamizades Abschlussfilm war der Andrang allerdings mehr als gerechtfertigt. Und spürt selten eine so positive Stimmung im Kinosaal.

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