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Mein Röntgenblick auf Bettenhausen - Teil 10 -

Warum mir in Bettenhausen manchmal der Kragen platzt und warum das garantiert niemand interessiert......
Mein Röntgenblick auf Bettenhausen - Teil 10 -

In der HNA stehen fast täglich sinnfreie Sätze, wie: „Es herrschte ein buntes und reges Treiben und Groß und Klein wurden mit schmackhaften Speisen aus der Region verköstigt. Es gab ahle Worscht, die auch den Documenta Gästen vorzüglich mundete, die sich lustig unter den Gästen tummelten“!
Ach du Scheiße, in jeder andere Stadt würde derartiges Geschreibsel verboten! In Kassel ist es Standart und das kommt so:
Als ich gefragt habe, schon vor längerer Zeit, warum die Redakteure nicht einfach erzählen, was passiert ist, sagte man mir, das ginge nicht, das würden die Leser nicht verstehen! AHA!!! ACH SO!
Ich weiß was passiert ist, ich sehe das jeden Tag, wenn ich aus dem Fenster gucke.
ALSO:
1) „Es herrschte ein buntes und reges Treiben“. Stimmt. Die Redakteure waren also in Bettenhausen und haben Party gemacht, oder was? Vor meinem Fenster herrscht „buntes“ und vor allem „reges Treiben“ und das ist immer sehr laut. Da wird gesoffen, eine „bunte“ Auswahl (verflucht, was ist eigentlich „bunt“, das Äh „Treiben“, Ähem, bunt???) Also: Bier aus Flaschen mit verschiedenen Etiketten, buntfarbig, billiger Rotwein, rot, also bunt, aus knallbunten Kartons, an guten Tagen gestohlener Schnaps aus Flaschen, die wenn sie leer sind auf der Straße zu bunten Scherben, verschiedener Größe und vor allem Farbe zerschmissen werden. Und da werden Drogen genommen und zwar ganz „rege“: Heroin ist braun, also auch bunt, und rege, weil die Leute immer in Bewegung sind, wenn sie saufen und Drogen nehmen. Die sitzen nämlich nicht still dabei, leider und sind ganz bestimmt nicht leise, sondern – Ähem – „rege“ und das ist dann eben laut. Konkret: Es wird geschrieen, gebrüllt, geflucht, gepöbelt, krakeelt und vor allem geschimpft und ganz sicher auch beschimpft. Etwa: Alter, wenn du das jetzt nicht weg machst, dann mach ich dich platt. Sag, das nochma, nur noch einma, einma und wenn du meinen Hund nochma so angucken tust, dann passiert was, Drecksau! Du Schwein! Halts Maul! Ich hau die eine rein! Du bist doch ein Kanake, wenn du mir das nicht gibt, dann wirst du schon sehen….du wirst sehen, du hast das so gewollt………Und so weiter, was weiß ich, muss ich ja nicht wissen – Ich schreibe einfach, „das war ein buntes Treiben“ und vor allem „rege“.
2) „Groß und Klein wurden mir schmackhaften Speisen aus der Region verköstigt“. JA!
Es ist klar, dass die Redakteure nicht schreiben wollen, was wirklich passiert ist und deshalb so tun, als wären sie nicht da gewesen und hätten nichts gesehen worüber sie schreiben könnten. Ich will das eigentlich auch nicht wissen, aber ich kann nichts dagegen machen, es passiert nämlich vor meinem Fenster und ich muss da hingucken, es sei denn ich ziehe weg.
ALSO: „Groß und Klein“ gibt es hier massenweise. Ich habe immer geglaubt „Groß“ wäre total angesagt, das ist aber nicht mehr so, heute ist „Klein“ nämlich unverzichtbar für jemanden der auf sich hält. „Groß“ ist beispielsweise eine BernadinerSetterDobermann, oder so. Schulterhöhe 1,20 Meter. Gehört der Bademeisterin und die wohnt im Erdgeschoss und ich bin heilfroh, dass „Groß“ zum Haus gehört und vor allem , dass „Groß“ mich mag. „Groß“ mag aber meine Katze nicht und falls er sich da mal „verköstigen“ möchte, werde ich ihn erschießen. Meine Nachbarin und ich sind uns glaube ich einig, das dass irgendwie in Ordnung ist. Und „Klein“. „Klein“ wird immer mehr zum Problem. „Klein“ ist nämlich überall und scheißt gerne bei uns vor die Haustüre. Auch „SehrKlein“ scheißt da hin. Das sind etwa PitBullChihuwawa und BullterrierDackel oder andere einschlägige Statussymbole. Leider sind es wirklich viele und wirklich laut und wirklich bissig, falls man nicht aufpasst.
Status ist in Bettnehausen wichtig und hier ist es schön und vor allem grün und deshalb kommen „Groß“ und „Klein“ tagtäglich direkt zu meinem Homeoffice und scheißen da aufs Blumenbeet. Und – Ähem – Sie werden natürlich mit „schmackhaften Speisen verköstigt“. Das ist so übel, dass man seriöserweise nicht darüber schreiben will: „Klein“ und „SehrKlein“ fressen nämlich auch Kotze, wenn Herrchen und Frauchen, sie wissen schon, passiert sehr oft, liegt wohl am Heroin, dann müssen die immer – Ähem - Kotzen. Klar, dass darüber keiner schreiben will, ich will das auch nicht in der Zeitung lesen, das ist nämlich das Allerletzte und in der Zeitung lesen ich dann lieber was Schönes, falls da mal was KONKRETES drinsteht, was dann schön ist.
3) „Die sich lustig unter den Gästen tummelten“. Leider. Es ist beinahe so, dass wir Normalen hier nicht mehr vor die Tür gehen können, weil wir sozusagen anecken und das möglicherweise schon längst nicht mehr unserer Stadtteil ist. Wer im vorderen Westen wohnt, versteht das nicht, ich habe früher auch im vorderen Westen gewohnt, ich habe es auch nicht verstanden und selbst jetzt will ich das eigentlich nicht glauben.
Also was wir hier alle nicht machen wollen ist uns „lustig unter den Gästen zu tummeln.“ Was „tummeln“ ist wissen wir nämlich alle nicht und „lustig“ ist es garantiert nicht und trotzdem müssen wir raus vor die Tür und einkaufen und zur Straßenbahn und zur Arbeit und zum Arzt. Warum geht das nicht, ohne das man sich in Gefahr begibt? Sobald wir uns nämlich „lustig unter den Gästen tummeln“ werden wir irgendetwas los, sagen wir mal Geld, oder ein Handy, oder unsere Gesundheit, so wie der Kinderarzt neulich. Unsere Nerven werden wir immer los.
Das bedeutet, die Familie aus dem hübschen Fachwerkhaus gegenüber hatte zwei kleine Kinder und keine Lust mehr sich „lustig unter den Gästen zu tummeln“. Sie sind geflohen, weggezogen wohnen jetzt in Harleshausen. Auch die nette Familie aus dem Erdgeschoss ist geflohen und wollte sich nicht mehr „tummeln“, weil die Kinder nicht auf dem Dorfplatz spielen konnten und auch nicht alleine in den Garten konnten, weil sie da von Pennern bedroht wurden. Die Familie die jetzt im Erdgeschoss wohnt, will so schnell wie möglich weg. Sie suchen eine Wohnung. Wenn sie was wissen, melden sie sich bitte in Bettenhausen! Wir wollen nämlich eigentlich ALLE weg! Weil „lustig“ und „tummeln“ das ist hier unten verdammt gefährlich geworden.
Das Mädchen, aus der Wohnung unten ,zwei Jahre, weint manchmal, wenn die Besoffenen so laut schreien und sich schlagen und die Polizei mal wieder zwei Stunden braucht bis sie doch noch kommt. Die Eltern haben Verantwortung. Also weg!
Das Haus gegenüber gehört der Kirche, da wird nicht mehr vermietet, weil da will keiner hin und jetzt lassen sie es leer stehen, die Kirche hat nämlich aufgegeben. Ausgerechnet die Kirche!
Mir sagen die Leute manchmal: Du bist ja selber schuld, was wohnst du auch da unten. Ist doch ein Pennerstadtteil, das weiß man doch, erst da hinziehen und sich dann dauernd beschweren. Und auf der Ostsbeiratssitzung meckern! Bringt doch eh nichts. Selber schuld, wer da unten wohnt der hat nichts Besseres verdient.
Nehmen wir mal an, die Redakteure der HNA hätten wirklich hier unten Party gemacht – dann ist es wahrscheinlich gut, dass nie was Konkretes in der Zeitung steht, weil die Sachen hier, die sind so übel - das will sowieso keiner wissen!

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Kommentare

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Gertrud Salm am :

Schon wieder muss ich Sie loben, klasse Text, aber grass. Vielleicht schreiben die Bettenhausener mal was idyllisches? Als Gegengewicht.

Sabine Scheffer am :

Hihi, hier geht es nur krass...Gleich kommt was Schönes - aber schön ist immer auch kurz.....

Sabine Scheffer am :

Hihi, hier geht es nur krass...Gleich kommt was Schönes - aber schön ist immer auch kurz.....

Martin Reuter am :

Liebe Frau Scheffer, ich rege Verschiedenes an:
1) Ihr Blick ist kein Röntgen- (also strahlender Durch-) Blick, das ist artikulierter Zorn. Ich finde das ist ein respektabler Blick, er sollte sich dann aber nicht naturwissenschaftlich benennen, sondern eben zornig sein.
2) Dass der örtliche Nachrichtenmonopolist durchschnittlichen Blödsinn (ala Groß&Klein tummeln sich) verzapft, sollte Sie zur kraftvollen Kritik anregen, aber nicht zur Totalabstellung darauf.
3) Da es ja auch noch andere Äußerungsmöglichkeiten gibt - s. das von Ihnen gewählte Medium - wäre die Weiterentwicklung des Experiments sehr viel nützlicher als jede Art von nachvollziehbarem Privatkrieg (exklusive Zornkonzentration).

Sabine Scheffer am :

Sorry Herr Reuter, ich verstehe Sie nicht. Eine Privatkrieg gibt es nicht. Ich weiß nicht was Sie meinen. Äh, gegen was oder wen soll der sich richten? Mein Anliegen ist nicht zornig, sondern (auch)politisch und nicht nur mein Anliegen sondern schließt als Anliegen andere Betroffene mit ein. (Auch wenn ich mich als Erzähler gewählt habe, um die Subjektivität der Äußerungen zu unterstreichen.) Und ein Röntgenblick schaut unter die Haut, also darf dieser auch etwas durchdringen und dabei etwas zu Tage fördern, dass nicht sooo schön ist. Dabei darf ich hier polemisch sein, Objektivität ist selbst bei einer Glosse, wenn sie denn eine wäre, kein Muss.
Und in meinem Stadtteil führe ich keinen "Privatkrieg", fragen Sie mal beim Ordnungsamt nach..... oder bei der Polizei in Waldau die für uns zuständig ist......

Martin Reuter am :

Ja, so ein Nichtverständnis will wechselseitig bearbeitet werden...
Ich neige gelegentlich zu zarten Andeutungen, wenn ich erkenne, dass die Brechstange nicht hilft. Sonst greife ich, sehr zum Leidwesen beispielsweise meiner Tochter, ebenfalls recht häufig zu derselben.
Dass Sie das Wort "Zorn" zurücküberstellen, finde ich schade, denn es hat sowas Energetisches und für Sie und alle anderen Zornigen Löbliches.
Ich meine nun zu verstehen, dass Sie nicht so sehr ihr Persönliches, sondern eher Technisches ("Röntgenblick" = Aufklärung für "unter der Haut") herausgeben. Dem widerstrebt/-spricht, dass Sie für eine Nicht-Objektivität plädieren, deren Bestreitung Sie bei mir orten. Sie kennen also wohl mein Lob der schreiberischen Nicht-Objektivität nicht, das einstmals als Diskussions-Beitrag unter "Stilbüchlein" stand, einstmals unter "Infos für Autoren", nunmmehr aber im Hintergrund der "Hintergründe zum Selbstverständnis" verschwunden ist, von dannen es wiederkehren wird als Ergänzung zu "Selbstverständnis"? (S. die Knöpfe ganz rechts außen unten auf der Homepage)
Nun, der besprochene Krieg findet zwischen Ihnen und einem Stadtteil, sondern zwischen Ihnen und einem Medieum statt. An Ihrem Politikverständnis finde ich kritikabel, dass auch er "stellvertretend" geführt wird, also ganz im konventionellen Sinne der Repräsentation ("schließt andere Betroffene mit ein"), die abzuschaffen eine intelligente Lösung zu werden verspricht.

Sabine Scheffer am :

Oh wei, Herr Reuter, jetzt schockieren Sie mich. Gibt es einen Krieg zwischen mir und einem Medium von dem ich nichts weiß und den ich nicht führe, aber vielleicht jemand anderes????????????? Haben Sie Informationen die mir fehlen und die ich dringend haben müsste um diesen Krieg nachvollziehen zu können. Ich meine, kennen Sie vielleicht jemanden den ich nicht kenne, aber kenne müsste um (als letzte) zu erfahren, dass Krieg herrscht. HÄ ????? Wie bitte ????????????????????????????
Klären Sie mich auf. Danke!

Martin Reuter am :

Es gibt ja nun verschiedenes Diskutierbares in ihren Beiträgen, und ich bitte den Nebeneintrag "fixierte Obsession" doch dann nicht ganz so furchtbar ernst zu nehmen und in den Mittelpunkt zu stellen. Falls es Ihnen möglich sein sollte. Da hilft auch die übergroße Anzahl von Fragezeichen nicht. Vielleicht können andere Kapazitäten dieses Schreibbetriebs an dieser Stelle einspringen zur Enthakung? Bzw. haben nutzkollektive Mitschreiber hier etwas beizusteuern?

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