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Und sie wollen nicht hören! Debakel in der Verbandsversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel (ZRK*)

Auch wenn Kassel und die um Kassel herum liegenden ZRK Gemeinden nicht im Ahrtal liegen, nicht in Kalifornien, nicht Spanien, nicht in der Po-Ebene und auch nicht in Brandenburg – wo überall und ganz aktuell Jahrhundertbrände auftreten und/oder Wassermangel in bisher nicht gekannten Dimensionen herrscht – so spitzen sich doch auch hier in unserer Region die Auswirkungen der Klimakrise zu: Spürbar, sichtbar, fühlbar. Im Mai war es, wie in der Monatsbilanz der HNA zu lesen war, viel zu trocken, viel zu heiß und es gab zu viele Sonnenstunden. Die Wasserstände in Losse und Nieste sind alarmierend niedrig und der Zustand unserer Wälder ist ebenfalls desolat, auch wenn es hier bislang noch keine Brände gegeben hat.

Was ich für die Fraktion der Linken in der Zweckverbandsversammlung am 29. Juni 2022 mal wieder in aller Deutlichkeit darlegte und klarmachte, gerät angesichts der Verweigerungshaltung von SPD und CDU, was konkrete Schritte hin zu mehr Klimaschutz angeht, zur Standardübung. Ich sage das Notwendige und Offensichtliche, der Rest der Versammlung erduldet die mehr oder weniger traurigen Fakten (immer gut belegt!) und schweigt. Um dann, mehr oder weniger gnadenlos, gegen jeden konkreten Klimaschutz zu stimmen. Oder anders: Ich könnte es eigentlich auch ganz sein lassen oder besser gleich Selbstgespräche im Wald führen …

Und worum gings konkret? Ohne Sinn und Verstand, weil es angeblich keinen anderen Standort als die Giesewiesen im Süden von Kassel für den Neubau einer zweiten großen Eissporthalle gibt, soll genau dort, mitten hinein in eine wichtige Kaltluftbahn, eine solche Halle gebaut werden. Als Stadtplaner bekommt man automatisch eine Gänsehaut, wenn man hört, der oder jener Standort sei alternativlos. Denn das ist in aller Regel Unsinn. Allein beim Blick auf die Stadtkarte von Kassel ahnt selbst ein Laie, dass diese Kaltluftbahn vom Park Schönfeld in Richtung Fulda, Karls- und Fuldaue durch eben diese Halle eingeengt und eingeschränkt wird. Genau diese Kaltluftbahn versorgt wichtige Wohngebiete im Süden der Stadt mit Kaltluft. Insbesondere in den heißen Sommermonaten, die für die Stadtbewohner - auch in Kassel - zukünftig deutlich mehr Klimastress und Tage mit Überhitzung etc. mit sich bringen werden, bedeutet das Zubauen und Einengen von Kaltluftbahnen eine Verschlechterung und Zuspitzung der Situation. Die Bürgerinnen der Südstadt werden es in Zukunft zu spüren bekommen und ausbaden müssen. Aber von denen war leider keine/r im Bürgersaal der Gemeinde Ahnatal. Weil, wie schon oft von mir bedauert, in Kassel und der Region drum herum, sich niemand für das interessiert, was der ZRK macht. Obwohl es alles andere als egal oder unbedeutend ist, womit sich der ZRK beschäftigt.

Nun ist das Wissen darum, dass es unklug ist, wichtige Kaltluftschneisen zu verbauen, kein Geheimwissen bestimmter Abgeordneter. Vielmehr wissen das im Prinzip alle Mitglieder der Verbandsversammlung. Es war mir dennoch wichtig, meinen geschätzten Kolleginnen in geraffter Form noch einmal vorzuhalten, was sie alles selbst beschlossen haben an Dokumenten, Willenserklärungen und Plänen und was genau sie mit ihrem Beschluss für diese konkrete Flächennutzungsplanänderung mal wieder verletzen, Lügen Strafen oder einfach nur konterkarieren. Und das ist eine ganze Menge:

Der ZRK hat z.B. der Charta der Energiewende Nordhessen zugestimmt, die insgesamt 10 sehr bedeutsame klimarelevante Punkte enthält. Damit hat er sich, das sind insbesondere die Punkte 1 und 2 in dieser Charta, mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 einverstanden erklärt und außerdem mit den ambitionierten Klimazielen von Land und Bund. Dazu hat die Vollversammlung erst kürzlich, im Frühjahr 2021, das neue Siedlungsrahmen-Konzept, SRK 2030, beschlossen, wo es auf der Seite 26 ziemlich eindeutig heißt:

„Eine der größten gegenwärtigen Aufgaben für Stadt und Land, für Mensch und Tier, für Natur und Umwelt ist der Klimawandel. Dessen Folgewirkungen stellen den Menschen vor neue, bis dato nie dagewesene Herausforderungen durch Überhitzung, Starkregenereignisse, Ausfälle von Ernten oder tropische Nächte. Der Klimawandel ist mit seinen Auswirkungen raumrelevant und ein wichtiges Handlungsfeld der Planung geworden. … Es sind die lokalen und regionalen Ebenen, die zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen entscheidend sind.“

Ja, alles richtig. Nur: Es interessiert und juckt die Mitglieder der Verbandsversammlung schlicht nicht, was sie vor etwas über einem Jahr beschlossen haben. Denn immer dann, wenn es konkret wird und sie Farbe bekennen müssten, gibt es wichtigere Dinge für sie als Klimaschutz.

Ich habe übrigens, auch wenn viel Richtiges in diesem SRK 2030 drinsteht, dagegen gestimmt, weil trotz fortschrittlichem Wortgeklingel und vielen verbalen Erkenntnissen am Ende der wesentlichen Tabelle fast 700 Hektar neue Wohngebietsflächen aufaddiert worden sind, die bis 2030 noch dazu kommen sollen. So sieht nordhessischer Klimaschutz aus!

Zurück zum „Tatort“ Giesewiesen.

In seiner Stellungnahme gegen die geplante Änderung des Planes für den Bau besagter Halle auf den Giesewiesen wird der BUND deutlich: „Das Hauptthema der Planung ist die Frage, ob der Bau und Betrieb der Eishalle und ihrer Rundumnutzungen (z.B. PKW Parkplätze etc.) klimatisch die Kaltluft- und Frischluftverhältnisse für die Bevölkerung der Süd- und Unterneustadt wesentlich verschlechtert. Dem ist leider so.“ Auch wenn ein in Auftrag gegebenes Klimagutachten diese Verschlechterung verneint, ist der Eingriff dennoch erheblich und die negativen Folgewirkungen evident. In den Augen der Profis vom BUND ist das Gutachten jedoch fehlerhaft und dilettantisch. Nach dem BUND läge ganz klar eine Verletzung des § 1 des Bundesnaturschutzgesetzes vor, wonach wichtige Kaltluftentstehungsgebiete und Kaltluftaustauschbahnen frei zu halten seien von störender Bebauung.

Der oben schon erwähnte Blick auf die Stadtkarte straft das angeführte Klimagutachten Lügen und macht es zu einer Art Gefälligkeitsgutachten, das ausschließlich den Wünschen der Stadt Rechnung trägt. Nach wissenschaftlichen und klimapolitischen Gesichtspunkten müssten die Ergebnisse anders aussehen und eine Bebauung klar ausgeschlossen werden.

Mit meinem NEIN gegen die Änderung des Flächennutzungsplanes Giesewiesen für den Bau der neuen Eissporthalle blieb ich am Ende allein auf weiter Flur.

Der Beitrag der SPD Fraktion zur Begründung der Befürwortung fiel dünn und kurz aus. Das Wort Klima kam darin überhaupt nicht vor. Vielmehr, so wurde erklärt, ginge den ZRK das Ganze mehr oder weniger nichts mehr an, denn die Stadtverordneten der Stadt Kassel hätten doch die Halle, ihre Finanzierung und den dafür erforderlichen Bebauungsplan längst beschlossen. Damit sei der Drops gelutscht! Dass damit nicht nur Klimabelange als obsolet hingestellt werden, sondern dem ZRK gleich noch seine gesetzlich zugewiesene Funktion indirekt streitig gemacht wird, lässt tief blicken und kaum Optimismus aufkommen.

Die Mehrheit, für die dann SPD und CDU im Schulterschluss sorgten, war erdrückend und eindeutig. Ob da schon die Kooperation von SPD und CDU, zumindest für die Stadt Kassel und die Zeit nach den OB Wahlen im kommenden Jahr durchschimmert? Was aber ein anderes Thema wäre. Die Grünen jedenfalls schwiegen sich aus und enthielten sich. Sie gaben damit, wie schon so oft im ZRK, ein schwaches Bild ab. Und das nur, um die SPD in Kassel nicht zu verprellen. Ist jedoch so viel Rücksichtnahme, angesichts der Tatsache, dass OB Geselle die Grünen seit Monaten am Nasenring durch die Arena führt, indem er u.a. den grünen Baudezernenten, Herrn Nolda, am laufenden Band öffentlich diskreditiert und herabwürdigt, politisch noch sinnvoll? Aber das ist wieder eine andere Geschichte …

Dass mir nach Sitzungsende einige der grünen Parlamentarier Komplimente machten und meine Rede positiv beurteilten, ist in Ordnung. Letztlich verstehe ich jedoch eine Haltung wie die der Grünen nicht und ich weiß schon jetzt: Die SPD in Kassel wird ihnen ihre dezente Zurück- und Enthaltung nicht danken.

*Der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) ist eine durchaus bedeutsame kommunalpolitische Instanz. Nach seiner Satzung und Geschäftsordnung hat dieser Verband nicht nur die Aufgabe, für alle Gemeinden und Städte, die ihm angehören - als da sind Kassel, Ahnatal, Baunatal, Calden, Fuldabrück, Fuldatal, Kaufungen, Lohfelden, Niestetal, Schauenburg und Vellmar - den Kommunalen Entwicklungsplan, den Flächennutzungsplan, den Landschaftsplan und sonstige gemeindeübergreifende Entwicklungsmaßnahmen aufzustellen und fortzuschreiben. Der ZRK ist darüber hinaus auch mit der Wahrnehmung von interkommunalen Aufgaben und Projekten dann zuständig, wenn er hierfür einen Auftrag erhält. Hierzu gehört z.B. das interkommunale Projekt des Güterverkehrszentrums. Auch beim Flughafen Calden ist der ZRK eingebunden, u.a. bei der Entwicklung eines neuen, rund 80 Hektar großen Gewerbegebiets im Bereich des alten Flughafens. Man kann sagen, dass praktisch bei allen relevanten raumgreifenden oder raumbeanspruchenden Maßnahmen der ZRK, meist über die Flächennutzungsplanung, mit im „Geschäft“ ist. Neben den beiden Ausschüssen, Finanzen und Planung, in denen zu fassende Beschlüsse vorbereitet werden, ist die Verbandsversammlung der Ort, quasi die Legislative, in der die Entscheidungen über die Inanspruchnahme bestimmter Flächen letztlich fallen. Der Vorstand bereitet viele dieser Beschlüsse vor und hat letztendlich das Sagen ... Ein neues Aufgabenfeld, der sog. Landschaftspflegeverband für den Landkreis Kassel, ist inzwischen noch dazu gekommen. Zu
Recht gibt es nun Hoffnungen, dass es bald spürbare Verbesserungen in Sachen Ökologie im Zusammenspiel von Umweltverbänden, Landwirtschaft und Kommunen gibt ...

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