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Radentscheid: Bürgerbegehren nach Prüfung unzulässig

(Dokumentation Pressemeldung Stadt Kassel)
Stadt Kassel will Radentscheid-Ziele aufgreifen und Radverkehr weiter stärken – Bürgerbegehren nach Prüfung unzulässig
Die Stadt Kassel will einen noch stärkeren Fokus auf den Ausbau des Radverkehrs legen. Oberbürgermeister Christian Geselle und Verkehrsdezernent Dirk Stochla kündigten an, eine Magistratsvorlage in die politischen Gremien einzubringen, in der die wesentlichen Ziele der Initiative Radentscheid aufgegriffen werden.
Das von der Initiative Radentscheid am 12. November 2018 eingebrachte Bürgerbegehren ist nach Prüfung durch die Stadtverwaltung aus mehreren rechtlichen Gründen unzulässig. In einem Gespräch am Montag, 21. Januar 2019, haben Geselle und Stochla den Vertrauensleuten der Initiative die Ergebnisse der Prüfung im Detail erläutert. Danach war zunächst gegenseitiges Stillschweigen vereinbart worden, da die Initiative über den von angebotenen Kompromiss beraten wollte, um dann gegebenenfalls gemeinsam mit der Stadt im Sinne der Sache zu informieren und das weitere Vorgehen zu erläutern.

Geselle: "Wir verfolgen dieselben verkehrspolitischen Ziele wie die Radentscheid-Initiatoren"
"Der Radverkehr wird – nicht erst aufgrund des anhängigen Bürgerbegehrens – künftig eine besondere Rolle spielen. Auch die Ziele im bereits beschlossenen Verkehrsentwicklungsplan 2030 untermauern die Notwendigkeit, den Radverkehr durch den Ausbau der Infrastruktur zu stärken. Das Thema Mobilität ist einer unserer strategischen Schwerpunkte", betonte Oberbürgermeister Geselle. "Wir verfolgen also dieselben verkehrspolitischen Ziele wie die Initiatoren des Radentscheides. Ihre Bemühungen sollen nicht vergeblich sein. Wir freuen uns über das große Engagement derjenigen, die mehr Radverkehr in Kassel fordern und fördern wollen. Die über 21.000 gesammelten Unterschriften sind ein mächtiger Beweis dafür."

Stochla: "Mehr Wege mit dem Rad, anstatt mit dem Auto zurücklegen"
Sollten die politischen Gremien den Vorschlägen in der Vorlage von Geselle und Stochla folgen, würden die Investitionen erhöht. "Wir würden damit deutlich mehr für den Radverkehr tun als in der Vergangenheit und sogar die Zielsetzungen im Verkehrsentwicklungsplan 2030 übertreffen", betonte Stochla. Danach war vorgesehen jährlich 18 Euro pro Einwohner in den Radverkehr zu investieren, mit den aufgegriffenen Zielen des Radentscheids würde dieser Wert auf etwa 22,50 Euro steigen.
"Um stadtgerechte Mobilität in Kassel zu gewährleisten, führt kein Weg daran vorbei, den Kfz-Anteil gerade bei innerstädtischen Fahrten mit kurzen Wegestrecken spürbar zu senken. Im Umkehrschluss bedeutet das: es müssen in Zukunft mehr Wege mit dem Rad, anstatt mit dem Auto zurückgelegt werden", erläuterte Verkehrsdezernent Stochla. "Eine nachhaltige Verlagerung zugunsten des Radverkehrs in Kassel gelingt jedoch nur, wenn wir ihn strategisch fördern und zusätzliche Ressourcen dafür einsetzen."

Stadt Kassel ist nicht Herr bei Planfeststellungsverfahren
Ein wesentlicher Punkt für die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ist, dass genannte zeitliche Vorgaben unrealistisch und nicht umsetzbar sind, was zu einer rechtlichen Unmöglichkeit führt. Im Ziel 3 heißt es: "Die Stadt Kassel schafft entlang von Hauptverkehrsstraßen in ihrer Baulast pro Jahr mindestens 3 km neue Radverkehrsanlagen in beiden Fahrtrichtungen." Für einen solchen Ausbau ist mit langfristigen Verwaltungs- und Baurechtsverfahren zu rechnen, in denen die Stadt Kassel zwar die Planfeststellung beantragt, Genehmigungsbehörde ist allerdings das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung. Die Stadt Kassel ist also nicht Herr des Verfahrens. Nicht auszuschließende Klagen können Planfeststellungsverfahren zudem in die Länge ziehen und im ungünstigen Fall wird keine Genehmigung erteilt.
Welche Dauer Planfeststellungsverfahren haben können, wird deutlich am kürzlich erfolgten Umbau eines 400 Meter langen Abschnitts auf der Loßbergstraße. Dieser lief geradezu ideal, weil mit allen Betroffenen, die Einwendungen gegen die Planung hatten, Einigungen erreicht werden konnte und auch niemand geklagt hatte. Dennoch waren vom Beginn der Planung im Jahr 2008 über die Planfeststellung 2011 bis zum Abschluss des Umbaus 2013 fast sechs Jahre vergangen.

Viele unterschiedliche Interessen bei Ausbau von Hauptverkehrsstraßen
Ein derart reibungsloses Verfahren wäre für den Ausbau eines Abschnitts auf einer Hauptverkehrsstraße, wie zum Beispiel der Frankfurter Straße, nicht zu erwarten. Zumal müssten dort in jeder Richtung ein Fahrstreifen und gegebenenfalls auch der Parkstreifen wegfallen, um die Radverkehrsinfrastruktur entsprechend der Forderungen in dem Bürgerbegehren auszubauen.
Vor dem Hintergrund der Vielzahl der Betroffenen mit vielen unterschiedlichen Interessen wären im Fall der Frankfurter Straße einvernehmliche Lösungen wie bei der Loßbergstraße nicht so schnell und einfach zu finden. Zudem wären Klageverfahren wahrscheinlich, die weitere Verzögerungen nach sich ziehen dürften. Im Hinblick auf die erforderlichen Planfeststellungsverfahren mit allen Begleitumständen sind die geforderten drei Kilometer Radweg an Hauptverkehrsstraßen pro Jahr nicht umsetzbar.
Unzulässig ist das Bürgerbegehren ferner, weil es in einigen Forderungen gegen § 8b Absatz 2 Hessische Gemeindeordnung (HGO) verstößt. Danach darf ein Bürgerentscheid nicht über Weisungsaufgaben und Angelegenheiten stattfinden, die kraft Gesetzes dem Gemeindevorstand oder dem Bürgermeister obliegen. Jedoch beinhaltet das Ziel 6 der Initiative unter anderem die Forderung, Knotenpunkte mit eigenen Lichtzeichenanlagen auszustatten und mit einem Zeitvorsprung gegenüber dem Kraftfahrtverkehr für die Freigabezeiten des Radverkehrs zu schalten. Zuständig dafür ist nach geltendem Recht die Straßenverkehrsbehörde bzw. der Oberbürgermeister als Kreisordnungsbehörde, der damit im Sinne von § 4 HGO im Auftrag eine staatliche Aufgabe erfüllt.

Tatsächliche Kosten übersteigen Schätzungen um ein Vielfaches
Nicht haltbar sind zuletzt die von der Initiative zu Grunde gelegten Kostenschätzungen und der daraus folgende Kostendeckungsvorschlag zur Gegenfinanzierung. Nach Schätzungen der Initiatoren würden Kosten von 5,96 Millionen Euro pro Jahr anfallen, um acht Ziele zur Förderung des Radverkehrs zu erreichen.
Nach der vorläufigen Prüfung der städtischen Ämter ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Kosten diese geschätzten Investitionen zur Erreichung der einzelnen Ziele um ein Vielfaches übersteigen dürften. Deutlich wird dies am Beispiel des von der Initiative genannten Ziels 7: Für die Errichtung "von mindestens 1.000 zusätzlichen Abstellplätzen für Fahrräder pro Jahr" haben die Initiatoren des Radentscheids 110.000 Euro veranschlagt.
Das Straßenverkehrs- und Tiefbauamt kalkuliert hingegen mit Kosten in mindestens doppelter Höhe. 1.000 Fahrradabstellplätze zu errichten, kostet etwa 150.000 Euro. Hinzu kommen weitere 150.000 Euro, um die Oberfläche rund um die Bügel herzustellen. Weiterhin sollen laut den Forderungen Abstellflächen überdacht sowie mit Lade- und Druckluftstationen ausgestattet werden. Für die Errichtung von überdachten und entsprechend ausgestatteten Abstellplätzen ergeben sich weitere erhebliche Kosten.

Aufgegriffene Ziele, um den Ausbau des Radverkehrs voranzutreiben
Das Engagement der Initiative und die große Bedeutung des Radverkehrs sollen 2019 erstmals mit einem besonderen Tag gewürdigt werden, kündigten Geselle und Stochla an. "Was für unseren Marathon und das Altstadtfest gilt, soll an diesem Tag auch für den Radverkehr in unserer Stadt gelten: Keine Kraftfahrzeuge, sondern Fahrräder auf der Straße." Ferner stellten sie den Initiatoren des Radentscheides vor, wie sie deren Ziele angepasst im Entwurf für die Magistratsvorlage aufgreifen wollen:

Die Stadt ist sich ihrer Verantwortung für die Gewährleistung einer stadtgerechten Mobilität in Kassel bewusst und erkennt an, dass dafür der Kfz-Anteil insbesondere bei innerstädtischen Fahrten kurzer Wegestrecken spürbar gesenkt werden muss. Ein adäquates Mittel dafür besteht u.a. in der deutlich beschleunigten Förderung des Radverkehrs.
Die Stadt Kassel wird
a) bei der Abwägung von Planungsvarianten innerhalb von Straßenbauprojekten die Belange des Radverkehrs mit hohem Gewicht im Rahmen der geltenden Regelwerke berücksichtigen. Sofern in den Regelwerken Mindestmaße für den Radverkehr angegeben sind, sollen diese – soweit baulich möglich – nicht zum Ansatz kommen, sondern es sollen Regelmaße verwendet werden,

b) den Radverkehr – soweit möglich – über längere Strecken einheitlich und vom Fußverkehr getrennt führen,

c) einen besonderen Schwerpunkt beim Ausbau sicherer Radrouten auf die Strecken entlang von Hauptverkehrsstraßen richten,

d) im Nebenstraßennetz die Radrouten komfortabel und durchgängig befahrbar herstellen und den Kfz-Durchgangsverkehr dort geeignet reduzieren bzw. entschleunigen.

e) die Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur im Umkreis von 500 m um Schulen und Kindergärten, insbesondere auch durch bauliche Maßnahmen, sicherer machen,

f) an Lichtsignalanlagen – soweit örtlich möglich und rechtlich zulässig – aufgeweitete Radaufstellbereiche oder andere sichere und für den Kfz-Verkehr deutlich wahrnehmbare Radverkehrsführungen einrichten und i. d. R. kontaktlose Technologien zur Grünzeitanforderung für Radfahrer einsetzen.

g) ein Programm zur Steigerung der Anzahl der Radabstellplätze in Ausführung und Ausstattung nach dem Stand der Technik auflegen; als grobes Maß für den Bedarf gilt dabei, dass die Anzahl öffentlich nutzbarer Radabstellplätze in einem Bezugsgebiet ca. 20% der Anzahl der Kfz-Stellplätze im öffentlichen Raum betragen soll,

h) eine als dauerhaft angelegte Kampagne für mehr Rücksichtnahme im Verkehr, die alle Verkehrsarten adressiert, in Verbindung mit fördernder Öffentlichkeitsarbeit für den Rad- und Fußverkehr sowie den Öffentlichen Personennahverkehr auflegen.


Die Stadt Kassel ist sich bewusst, dass zur Förderung des Radverkehrs flächenbezogene Zielkonflikte mit anderen Verkehrs- bzw. Nutzungsarten gelöst werden müssen. Die Stadt Kassel wird bei allen künftigen Maßnahmen die Bedarfe für den fließenden und ruhenden Kfz-Verkehr kritisch bewerten und auch Planungsvarianten vorschlagen, bei den Fahrspuren bzw. Kfz-Stellplätze ganz oder teilweise wegfallen. Dabei ist jeweils aufzuzeigen, wie bzw. zu welchem Grad die bisherigen Verkehrs- und Nutzungsfunktionen zukünftig erfüllt werden können.


Die Stadt Kassel ist sich bewusst, dass für den beschleunigten Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur mehr Ressourcen als bisher notwendig sind. Deswegen sollen noch im Jahr 2019 mindestens eine zusätzliche, unbefristete Stelle für den Radverkehr eingerichtet und ab dem Jahr 2020 zwei weitere, unbefristete Stellen eingeplant werden.

Darüber hinaus sollen ab 2020 pro Jahr mindestens 500.000 Euro zusätzlich für Radverkehrsmaßnahmen in den Haushalt eingeplant werden, die vorwiegend als städtische Eigenanteile für spezifisch geförderte Radverkehrsprojekte dienen können. Angestrebt wird, dass mit Eigenmitteln und Förderung im Durchschnitt mindestens 1,5 Mio. Euro zusätzlich pro Jahr für den Radverkehr aufgewandt werden.


Die Stadt Kassel wird die originären Radverkehrsmittel transparent im Haushalt abbilden.


Die Stadt Kassel wird einmal jährlich über die Fortschritte der Radverkehrsförderung im zuständigen Ausschuss berichten.

Zudem wird aktuell mit dem Radverkehrskonzept eine Gesamtstrategie für den Radverkehr erarbeitet. Die Steigerung des Radverkehrsanteils bei der Wahl des Verkehrsmittels (Modal Split) ist ein wichtiges Projektziel. Das Radverkehrskonzept stellt einen Rahmenplan dar, der den Belangen des Radverkehrs bei zukünftigen Planungs- und Bauentscheidungen eine konkrete Richtung und besonderes Gewicht gibt. Es dient als Richtschnur, um die in der Verkehrsplanung immanenten Zielkonflikte aufzulösen.

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