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Neulich im Bürgerbüro

Unsere Mitbewohner heiraten im Juni in Aserbaidschan und da brauche ich einen neuen Pass, der alte ist seit dem 17.03.1998 abgelaufen. Ich werde also Abschied nehmen müssen von dem meinem abgewetzten Reisepass mit dem ochsenblutroten Stoffeinband und den DDR-Stempeln und einen neuen ochsenblutroten bekommen. Offiziell ist der Einband bordeauxrot, genauer ist er seit 1988 im RAL-Farbton 4004 Bordeauxviolett gehalten, das ist europaweit für alle Pässe so und soll die Zusammengehörigkeit der Europäer stärken. Ich kann bald in 176 Länder visafrei einreisen, aber nicht nach Aserbaidschan.
Es ist kalt draußen. Ich warte eine relative Erwärmung der Außentemperaturen durch die Sonne ab und bin um 13.15 im Bürgerbüro. Scheinbar sind alle auf die gleiche Idee gekommen, jedenfalls ist der Wartebereich des Bürgerbüros voller Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Welt. Das Bürgerbüro ist auch nicht mehr dort, wo es da letzte Mal war. Es ist umgezogen. Es gibt keinen Automaten mehr, an dem man seine Nummer ziehen kann, um irgendwann aufgerufen zu werden; dafür stehe ich jetzt in einer langen Schlange, um mir eine Nummer am Eingangsschalter abzuholen. "Einen neuen Pass wollen Sie beantragen, das Foto haben Sie ja dabei:" Nein, ich habe auf den Automaten gehofft, den es immer im Bürgerbüro gab, aber der ist auch abgeschafft worden. Also stürze ich mit meiner Nummer 1707 nach draußen, in die nächste Drogerie und lasse mich ablichten.
Das Resultat ist niederschmetternd. "Das ist wohl die Realität, die ich anerkennen muss", meine ich zur fotografierenden Verkäuferin, die mit dem Kopf nickt. Hinter mir steht einer, der hat seine Passfotos verloren und ärgert sich wortreich über sich selbst. Zurück in den Wartebereich komme ich erstaunlich rasch an die Reihe. Die Sachbearbeiterin nimmt die Daten auf, dann muss ich meinen rechten Zeigefinger und den linken auf ein kleines, rotleuchtendes Gerät legen. Sie legt ihre kalten Finger auf den meinen und drückt ein wenig nach. "Ah, Fingerabdrücke, damit ich gleich gefangen werden kann, wenn ich böse Sachen mache". Sie meint, dazu seien die gescannten Fingeradrücke nicht gedacht, sie würden auch sofort bei Ihnen und auch bei der Bundesdruckerei gelöscht werden, es gehe nur um die Fälschungssicherheit. Das sehen Datenschützer anders. "Datenschützer und Oppositionspolitiker (haben) erneut schwere Bedenken angemeldet. Der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte, die Einführung des Fingerabdruckes sei aus seiner Sicht unnötig. Spätestens seitdem im November 2005 ein Funkchip mit eingespeichertem Digitalfoto eingeführt wurde, seien deutsche Reisepässe absolut fälschungssicher." (Spiegel online) Dazu haben sich auch Andere Gedanken gemacht, nur ich nicht. Und nun geht es ans Zahlen. Ich hab meine Girokarte vergessen und gerade mal 6,20€ in bar dabei. Die Sachbearbeiterin, immer noch freundlich, bietet mir an, am nächsen Morgen ab 8.00 zu kommen und die 60€ vorbei zu bringen. Dann könne ich gleich zu ihr durchgehen. Am nächsten Morgen gehe ich gleich durch, aber an ihrem Schreibtisch sitzt und steht eine fünfköpfige Familie. Die Sachbearbeiterin schräg gegenüber fragt mich, ob ich verabredet sei. Sie hat gerade Zeit und holt meine Unterlagen. Sie ist wohlgelaunt und wir plaudern ein wenig. Die Wand, die zu ihrem Arbeitsplatz gehört, ist auch mit wohlgelaunten Sprüchen auf Postkarten übersät. Sie ist noch jung, das Kind auf dem Foto im Rahmen noch klein, möge die gute Laune ihr immer erhalten bleiben.

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Kommentare

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Klaus Baum am :

wo ist das bürgerbüro denn jetzt?

Gertrud am :

In den ehemaligen Sparkassenräumen, rechts vom ehemaligen Bürgerbüroeingang, da isses. Steht fett drüber-.

Klaus Baum am :

danke. also rathaus, rechter flügel¿

Gertrud am :

Jow, genau da. Sonst nicht wo anders.

Marlis Cavallaro am :

Aserbeidschan - :-O ...
"Wahnsinn" ohne Bananen...!!!!
:-)

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