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Ein energiegeladenes Wochenende

Mehr als 1000 Menschen besuchten am Sonntag, den 18. Oktober, das Große Wolfhager Energiefest auf dem Gelände der Pommernkaserne in der Herwig-Blankertz Berufsschule. Auch die Tage davor standen ganz im Zeichen der Erneuerbaren Energien.

„Ich habe heute Siebdruck gemacht, ein Windrad und ein Solarboot gebaut und dabei ganz viel über Energie gelernt“, berichtet der achtjährige Malte Orf begeistert, während sein kleiner Bruder am Stand der Jugendarbeit Wolfhagen noch damit beschäftigt ist durch eine Schablone rote Farbe auf eine Stofftasche aufzutragen, die später das Muster eines Windrades schmücken soll. „Jetzt weiß ich, dass man mit Sonne, Wind und Wasser Energie erzeugen kann. Es war ein sehr spannender Tag.“ Maltes Stempelkarte, auf der alle Angebote für Kinder verzeichnet sind mit einer Spalte für bunte „Erledigt“-Stempel“, ist komplett voll. Er hat keine der vielfältigen Mitmachaktionen ausgelassen. Sein Vater ist überzeugt: „Man muss die Kinder früh an das Thema heranführen. Die Mitmachaktionen auf dem Fest sind toll, um erneuerbare Energien für die Kleinen erfahrbar zu machen.“ Aus Tetrapacks, leeren Plastikflaschen und Kork konnten die Kinder mit wenigen Kabeln, einer kleinen Solarzelle und einem Plastikpropeller Boote bauen und diese gleich im kleinen Pool neben dem Stand des Wassererlebnishauses Fuldatal e.V. testen. Sie konnten außerdem eigene Windräder bauen oder am Stand des „Energiegartens Wolfhagen“ erfahren, was eine Teebeutel-Rakete ist. „Russland hat zu viele Raketen und verkauft einige davon an Japan. Die Käufer machen sich jedoch Sorgen um den Transport der gefährlichen Waffen. Da schlagen die Russen vor die Zündschnüre abzuschneiden und das Pulver zu entfernen“, erzählt Harald Schätzle von der Bürgerenergiegenossenschaft eine kleine Geschichte zum Experiment, nimmt einen Teebeutel, schneidet die Schnur ab und entfernt den Tee. Schließlich stellt er die Frage der Japaner, wie eine solche Rakete noch fliegen sollte, und beantwortet diese mit dem Anzünden des Teebeutels, der beim Verbrennen in die Höhe steigt.

„Aufklärung betreiben“
Harald Schätzle weiß, „sowohl Erwachsene als Kinder haben nur geringe Kenntnisse über Erneuerbare Energien.“ Das führt zu Fehleinschätzungen und Vorurteilen. Um dem entgegenzuwirken, hat er die Idee des Wolfhager Energiegartens entwickelt. Auf dem zur Zeit ungenutzten Gelände des ehemaligen Schulgartens der Wilhelm-Filchner-Gesamtschule in Wolfhagen möchte er einen Ort schaffen, an dem Kinder und Erwachsene Erneuerbare Energien durch Experimente kennen lernen und testen können. Fließendes Wasser mit verschiedenen Wasserrädern, kleinformatige Windräder, Solarzellen, Pflanzen für kleine Biogasanlagen sowie zwei auf unterschiedlichem energetischen Standard errichtete Gebäude machen erneuerbare Energien greifbar und verständlich für jeden. „So kann man Aufklärung betreiben“, ist Harald Schätzle überzeugt. Der Energiegarten ist zur Zeit jedoch nur eine Idee, welche für die Umsetzung dringend Förderer benötigt.
Konkret greifbar und eine Testfahrt wert waren auf dem Energiefest dagegen die Elektrofahrzeuge. Auf dem großen Gelände der Pommernkaserne konnten die Besucher des Festes Elektroautos und Fahrzeuge mit Hybridmotoren testen. Außerdem standen Elektrofahrräder und andere Elektroleichtfahrzeuge in unterschiedlichen Variationen zum Ausprobieren bereit: mal in der Form einer Rakete, mal mit einem Beiwagen oder als Tandem. Bei ZUKUNFTerFAHREN, einem Projekt das sich mit der Untersuchung des Mobilitätsverhaltens mit angepassten modernen Elektro-Leichtfahrzeugen unter Alltagsbedingungen beschäftigt und die Fahrzeuge einem breiten Publikum bekannt und zugänglich macht, blieben keine Wünsche offen.

„Ein Stück Friedensarbeit“
Das In-die-Pedale-Treten machte nicht nur den Festbesuchern, sondern auch den auf dem Gelände untergebrachten Flüchtlingen großen Spaß. 400 Menschen aus unterschiedlichen Nationen befinden sich zur Zeit auf dem Gelände der alten Pommernkaserne. Viele besuchten das Fest, genossen die Livemusik und die festliche Stimmung. Einige beteiligten sich sogar mit der POMMBAG-Aktion an dem Energiefest. „Die Flüchtlinge wollen sich auf diese Weise bedanken“, erklärt Bijan Otmischi, der für den Landkreises Kassel als Integrationsmanager arbeitet. Aus gespendeten Kleidern haben fünf Wolfhager Bürger und sechs Flüchtlinge, darunter ein Schneidermeister aus Teheran, im Kulturladen Taschen genäht, die auf dem Fest gegen Plastiktüten getauscht oder einfach verschenkt werden sollten. „Diese Aktion dient der Integration und dem Spracherwerb durch Arbeit. Wir hoffen, dass daraus weitere Projekte entstehen werden“, so Otmischi.
Bürgermeister Reinhard Schaake sieht die Anwesenheit der Flüchtlinge auf dem Gelände als einen der Geschichte des Geländes entsprechenden Aspekt an. „Dieser Ort stand schon immer mit internationalen Konflikten in Verbindung“, so Schaake. Im zweiten Weltkrieg eine geheime Anlage, nach Wiederaufrüstung ein Standpunkt der Bundeswehr mit bis zu 1600 Soldaten und nun eine Unterkunft für Kriegsflüchtlinge. Viele der Konflikte werden aufgrund von schwindenden Rohstoffen ausgetragen. „Das Fest auf dem ehemaligen Kasernengelände, welches heute eine Bildungseinrichtung beherbergt und Standort mehrerer Firmen darstellt ist damit ein Stück Friedensarbeit“, sagt Reinhard Schaake, der stolz darauf ist, dass die Geldmittel für Energie in Wolfhagen nicht an die großen Konzerne gehen, sondern vor Ort verbleiben und damit den Bürgern und der Region zu Gute kommen.

Halbzeit des Modelprojekts
„Wir haben auf unserem Weg schon viel erreicht“, sagt Reinhard Schaake. Erst ein Tag zuvor durfte der Bürgermeister in Baunatal den Solarpreis 2015 entgegennehmen. Nicht die einzige Auszeichnung für den mit den Erneuerbaren Energien verknüpften Wandel der Kleinstadt. „Wolfhagen spielt in der Bundesliga der Energiewende. Länder wie Polen und Japan holen sich bei uns Impulse. Der Erfolg liegt an der tollen Mannschaft , die hier sehr erfolgreich zusammenspielt“, stellt der Bürgermeister fest und bedankt sich bei den Akteuren und „Mitspielern“. Einen besonderer Dank ging dabei an das Team des Projektbüros der Energieoffensive Wolfhagen. Kerstin Linne, Nadine Schomburg und Thomas Neuroth haben das große Fest organisiert und koordiniert. Auch den vielen Vereinen und ehrenamtlichen Helfern galt ein besonderer Dank. Die Fussballmetaphorik verwendete anschließend auch Dr. Christina Sager. „Wir haben Halbzeit in dem Modelprojekt“, sagte die Expertin des Fraunhofer Instituts für Bauphysik IBP. Bei einem moderierten Gespräch wurden die Zwischenergebnisse des Projektes „Wolfhagen 100% EE – Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung für die Stadt Wolfhagen“ von den Projektleitern vorgestellt, Erfolge herausgehoben und weitere Ziele erörtert. Anschließend standen die Experten von den Stadtwerken und der Stadt Wolfhagen, dem Fraunhofer Institut für Bauphysik IBP, dem Fachbereich für Bauphysik der Universität Kassel, dem Projektbüro der Energieoffensive und der Energie 2000 in der WandelBar den Besucherinnen und Besuchern Rede und Antwort. Darüber hinaus gab es stündlich Präsentationen zu unterschiedlichen Energiethemen im Vortragsraum sowie Führungen durch die Solarhalle. Informationen boten den Festgästen auch die vielen Messe- und Infostände. Auch für das leibliche Wohl war gesorgt. Ob Pizza, Salate, türkische Spezialitäten oder Kaffee und Kuchen von den Wolfhager Landfrauen: Die Besucherinnen und Besucher hatten große Auswahl.

„Eine tolle Atmosphäre“
Mehr als 1000 Festgäste streiften am Sonntag durch die Solarhalle und das Kasernengelände. Manfred Schaub von der Energieagentur „ENERGIE 2000“ war positiv überrascht von den vielen interessierten Besucherinnen und Besuchern: „Die Aussteller waren sehr froh darüber, die vielen vom Thema „Energie“ bewegten Menschen zu informieren, die nicht nur aus Wolfhagen, sondern auch der Region kamen.“ Trotz der kühlen Wetterlage war das Fest ein voller Erfolg. „Es herrschte eine tolle Atmosphäre: entspannt durch die kulinarische und musikalische Unterhaltung und doch informativ mit vielen konstruktiven Gesprächen“, sagte der Bürgermeister Reinhard Schaake. „Ich könnte mir vorstellen, so etwas wieder zu machen.“ Bereits die Tage vor dem Fest standen ganz im Zeichen des Energie-Themas: Am Donnerstag und Freitag fand bereits das Jahrestreffen der fünf Gewinnerstädte des Wettbewerbs „Energieffiziente Stadt“ in Wolfhagen statt, zu dem Fachleute aus Stuttgart, Essen, Magdeburg und Delitzsch angereist waren. Mit dem Klimafrühstück, dem kleinen Regionalmarkt vor dem Kulturladen sowie einer Filmvorschau von Frank Mahlich und Dirk Lindemann gab es am Samstag eine spannende Einführung in die Festthematik. Es war ein energiegeladenes Wochenende in Wolfhagen.

Fotos: Thomas Bölke

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