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Was ist mit den Grünen los?

Manch eine/r stellt sich seit geraumer Zeit diese Frage, insbesondere in einem Land wie Hessen, wo unsere Grünen in trauter Zweisamkeit "geräuschlos" mit der CDU im Bett liegen.

Und nun sagen sie auch noch "ja zu TTIP"??

Sozusagen die Krönung des Verrats an der Basis, die man offenbar glaubt, nicht mehr für voll nehmen zu müssen - ? Unmöglich, nicht diese sympathischen Kerle wie Tarek et. al.

Was also dann?

Die schlimmste anzunehmende Begründung scheint mir Naivität und mangelnder Durchblick im Bereich der globalen Wirtschaft zu sein. Deutlich wird das am jetzt erkennbaren Handeln in Sachen TTIP.

Was haben unsere Leute da nicht begriffen? Dass einzelne Vertragspunkte sehr auslegungsfähig bis extrem zweischneidig sind, läßt sich doch nicht bestreiten - schon gar nicht bei jenen Grünen, die sich die Mühe machen, die Vertragstexte anzusehen.
Wenn man jetzt aber argumentiert, dass TTIP unter dem Strich für alle eher vorteilhaft sei, dann beweist das, dass man von internationaler und insbesondere US-amerikanischer Mentalität und Verhandlungstaktik keinen Schimmer hat. Paradebeispiel NSA: Die Jungs in Washington DC lachen sich schlapp über unsere netten Emissäre, die bitten, doch nun aufzuhören mit dem Spionieren. Die machen das, was technisch möglich ist und sind stolz darauf - auch jetzt noch, oder jetzt gerade. Auch die TTIP-Verhandler (beider Seiten!!) werden angezapft; wer´s nicht glaubt ist entweder dumm oder er verfolgt eine eigene Agenda damit. "Jeder bespitzelt jeden" ist der weltweit gültige Grundsatz.

Im Gegensatz zur Schleppnetzfischerei gibt es hier keinen nutzlosen Beifang, sondern nur die Frage nach der richtigen Kombination der abgeschöpften Daten im Sinne definierter Abnehmer, also Politik, Verwaltung und vor allem Wirtschaft.

Wer mit Amerikanern mehr als nur "touristischen" Umgang hat, und wer insbesondere als Verhandler in amerikanischen Diensten stand, kennt die freundliche, herablassende Art, mit der das Verhalten europäischer/deutscher Geschäftspartner belächelt wird. Es ist keine direkte Arroganz, wohl aber ein mildes Belächeln unserer Vorgehensweise, unserer Skrupel und unseres defensiven Auftretens. Sehr schön zu sehen an Merkels nicht-Reaktion auf das rotzfreche Abhören ihres Handys. Unser Markenzeichen ist der eingezogene Schwanz! Den schlimmsten Anschiss der letzten Dekade hat hingegen ganz sicher der NSA-Mann bekommen, der Schuld daran ist, dass diese Nummer aufflog! Die Tatsache als solche - "German Chancellor tapped"; es hätte auch Obama sein können - wurde NSA-intern mit Sicherheit als Geniestreich gefeiert. Gemacht wird, was machbar ist!

Vor dem Hintergrund dieser Denkhaltung muss man auch die TTIP-Verhandlungen sehen. Es gilt nicht als verwerflich, das Gegenüber für dumm zu verkaufen. Und Tatsache ist, hier stehen sich letztlich die mächtigsten Konzerne der USA und Europas gegenüber, die Politik wird nur zur öffentlichen Legitimation gebraucht (nützliche Idioten). Falls es noch nicht klar geworden ist: Die mächtigsten europäischen Konzerne sind entweder Kleinkrämer im Vergleich zu den amerikanischen oder aber sie gehören denen schon längst.

Über diesen gedanklichen Umweg muss man zwangsläufig zu dem Schluss gelangen, dass eine Zustimmung zu TTIP, Tisa, Ceta und ähnlichen Konstrukten nur aus Sicht der amerikanischen Multis eine gute Idee ist. Und natürlich aus der Sicht jener Politiker, die sich durch ihr Wohlverhalten für eine weitere Verwendung in der Industrie empfohlen haben.

Ich vermute allerdings, dass manche Grüne diesen Karriereaspekt überhaupt nicht bedacht haben, sondern einfach auf die gut gemachten Powerpoint-Folien reingefallen sind. Eigennutz ist dem grünen Gutmenschen bekanntlich fremd. Oder er ist, wie eingangs gemutmaßt, einfach nur naiv. Oder beides. Schlimm wäre das.

Wenn aber nun ein Meinungsforschungs-Institut festgestellt haben will, dass 2/3 der Grün-Wähler mit Merkel (sehr) zufrieden sind, dann bedeutet jeder Austritt, dass dieser Wert sogar steigt. Andererseits bedeutet er, dass die berühmte Basis ihren Arsch keinesfalls gegen Merkel, Gabriel und Consorten erheben wird, wo doch auch der Toni nur ganz sanft dagegen ist...

Womit meine Eingangsfrage wieder unbeantwortet bleibt.

Verunsichert:
Wolfgang Ehle

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Kommentare

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MR am :

Lieber Wolfgang, ich verfolge, wie Du weißt, Deine Zerrissenheit mit sog. "Empathie". Da die Grünen sich aber durch ihre 'Gründungsurkunde' meinten, von den 68er Vorerfahrungen abseilen und sie anullieren zu können, holt sie jetzt eine "Geschichtsblindheit" (Eva Illouz) ein. "Eigennutz ist dem grünen Gutmenschen bekanntlich fremd." Heißt: Es braucht andere Mittel, um mit einer zentralen Attraktion der "westlichen Zivilisation" auch nur zurechtzukommen.

VB am :

Auch die europäischen Großkonzerne werden mittelfristig davon profitieren: Denn sie werden mit Sicherheit Wettbewerbsnachteile gegenüber US-amerikanischen Konzernen geltend machen, sei es aufgrund geringerer Arbeitnehmerrechte, sei es aufgrund geringerer Auflagen im Umweltschutz. Dann werden in der nationalen bzw. europäischen Gesetzgebung ganz schnell entsprechende Standards geschleift werden. 'Man' will ja unbedingt wettbewerbsfähig bleiben, gerade wenn der Export das Hauptstandbein ist.

hel am :

wer hat uns verraten? sozialdemokraten!

darf man jetzt gerne auf die grünen erweitern.

was es mit der demokratiesimulation auf sich hat, an der auch die grünen teilnehmen, habe ich in einem extrem spannenden video gerade beleuchtet bekommen:

"Warum schweigen die Lämmer? – Demokratie, Psychologie und Empörungsmanagement."

https://youtu.be/Rx5SZrOsb6M

MR am :

Lieber hel, ich ich bin beistert und wusste nicht, dass Du auch Theorie zulässt!

MR am :

Zweite Reaktion: Ich habe nun den Beitrag ganz gesehen und sehe eine wesentliche Lücke: Der Beitrag erzählt viel über die Verführbarkeit der Lämmer, also über ihre Unverantwortsamkeit. Warum aber sind die Länmmer danach so begierig und machen implizit ihre kritischen Beachter aus dem (relativ gebildeten) Mittelstand arbeitslos oder out of Brot?

Namen bleiben geheim am :

> "Unmöglich, nicht diese sympathischen Kerle wie Tarek et. al."

Tarek 'Isnogud' al-Wazir wollte doch bloß Minister werden in diesem Scheißladen anstelle des alten Ministers, weil, "da kann man was bewegen" und es ist sicher auch "spannend"; das ist er nun auch und damit hat doch alles seine Ordnung.

Meine Sympathie gehört da eher einem anderen Tarek + Genossen, die in diesem herzerfrischenden Video ein paar Dinge klarstellen:
https://www.youtube.com/watch?v=J_JqKXvenaE

Wolfgang am :

Zum Empörungsmanagement fällt mir die geifernde Fratze einer Sächsin ein, die sich im TV über die Sozialschmarotzer aufregte, die hier auf unsere Kosten Urlaub vom Krieg machen.
Es funktioniert also!
Bravo, BILD!

hel am :

Die Meinungsfrage (von Forsa) lautete:

[..] ob sich Merkel mit der Linie Hilfsprogramm gegen strenge Auflagen alles in allem richtig verhalten hat oder ob sie Griechenland zu einem Ausstieg aus dem Euro hätte zwingen sollen.

Wenn man nur die erste Hälfte zusammen mit dem numerischen Ergebnis zitiert - dazu gibt es in der SZ einen schönen Text: "Macht Merkel einen guten Job, oder soll dieses süße Kätzchen sterben?"

MR am :

Ich bitte zu beachten, dass die Schaufensterpuppe Merkel keine "Politik" macht. Sie macht zwei Sachen: Erstens sorgt sie dafür, dass alles so weitergeht (Geldvermehrungsmaschine plus staatliche Flankierungsmaßnahmen); zweitens schaut sie, ob evtl. kritische Massen enstehten, die eine Konjunktur des Wählerpotenzials CDU beeinträchtigen. (alias Machterhalt) Mit einem etwas anspruchsvolleren Begriff von Politik, der zB etwas mit Polis zu tun hätte, hat das nichts zu tun. (Und das Grüne ist leider zu einer Appendicitis verkommen.)

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