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Von Ignoranz, Bürgerferne und despektierlichem Verhalten

Am vergangenen Montag ging es in der Kasseler Stadtverordnetenversammlung turbulent zu. Besucherinnen und Besucher der Stadtverordnetenversammlung erwarteten eine Diskussion um die Zukunft der Freibäder; es kam aber anders. Gudrun Spahn-Skrotzki hielt diese Sitzung in einem offenen Brief fest:

Bericht aus der Stadtverordnetenversammlung in Kassel
In Kassel steht seit Jahren die Sanierung der Freibäder Bad Wilhelmshöhe und Harleshausen aus. Seit 2008 gibt es den Beschluss der Stavo, beide Bäder zu sanieren. Bislang hat Rot-Grün jedoch in keinem Haushalt Geld für die Sanierung zur Verfügung gestellt. Der Zustand der Bäder wird immer schlechter. Es ist zu befürchten, dass sie deshalb in Kürze geschlossen werden müssen. Am Montag, den 2. September, sollte ab 16.00 in der Stadtverordnetenversammlung der Haushalt für 2014 vorgestellt werden. Dieser enthält wieder keine Mittel für die Freibäder.

In Kassel steht seit Jahren die Sanierung der Freibäder Bad Wilhelmshöhe und Harleshausen aus. Seit 2008 gibt es den Beschluss der Stavo, beide Bäder zu sanieren. Bislang hat Rot-Grün jedoch in keinem Haushalt Geld für die Sanierung zur Verfügung gestellt. Der Zustand der Bäder wird immer schlechter. Es ist zu befürchten, dass sie deshalb in Kürze geschlossen werden müssen. Am Montag, den 2. September, sollte ab 16.00 in der Stadtverordnetenversammlung der Haushalt für 2014 vorgestellt werden. Dieser enthält wieder keine Mittel für die Freibäder.
(Allerdings kann in Kassel ein Flughafen mitfinanziert werden, ein neues Grimm-Museum, ein Hessentag usw. Wenn es aber z.B. um Freibäder geht, werden diesem Posten in der Finanzierung immer die Schulen gegenüber gestellt. Kasseler Bürger wollen aber die Bäder behalten.)

Deshalb wurde zur Demonstration vor dem Rathaus aufgerufen. Es kamen nach Angaben des HR ca. 1000 Menschen am Montag Nachmittag vor das Rathaus. Es war ein bunt gemischtes Publikum. Viele Eltern mit Kindern, Jugendliche, Rentner, Berufstätige, Studenten usw. Alle taten ihren Unmut kund. Prof. Dr. Hottenrott (Sportwissenschaftler und Fördervereinsvorsitzender) trug vielfältige Argumente für den Erhalt der Schwimmbäder vor, und er bat den Oberbürgermeister mehrfach, doch bitte einmal herauszukommen, sich den Protest anzuschauen und mit den Demonstranten das Gespräch zu suchen. Der Oberbürgermeister kam – auch nach wiederholter Bitte und dann nach nachdrücklicher Aufforderung – nicht aus dem Rathaus heraus, auch nicht als ihn irgendwann Sprechchöre riefen. Ein Signal, dass er die Anliegen der Menschen wahrgenommen hätte wäre sicherlich produktiv gewesen.
Ein großer Teil der Menschen wollte dann in die Stadtverordneten-Sitzung, um die Debatte um die Freibäder zu verfolgen. Keinesfalls war dies nur ein „radikales Grüppchen“ wie in der lokalen Presse suggeriert wurde. Nein, da gingen Mütter mit Kindern, Berufstätige, die gerade noch aus dem Büro gekommen waren, ältere Menschen usw.

Ein Tumult auf der Tribüne brach erst los, als ein Antrag der CDU-Fraktion abgelehnt wurde, den Punkt der Freibäder doch aufgrund des großen öffentlichen Interesses vorzuziehen. Rot-Grün, die ja die Mehrheit in der Stadtverordneten-Versammlung haben, stimmte gegen den Antrag. Vielmehr sollte der Punkt „Freibäder“ erst am Ende der Sitzung abgehandelt werden, bzw. an einer Stelle, die darauf schließen ließ, dass er gar nicht mehr behandelt werden würde. Hier brach lautstarke Empörung aus. (Der Oberbürgermeister war übrigens von dem Andrang der Zuschauer und ihren Bitten und Forderungen wenig beeindruckt. Er las lieber in seinen Unterlagen.)

Daraufhin wurde eine Räumung angedroht und die Sitzung wurde für Besprechungen unterbrochen. Diese zogen sich ca. 2 Stunden in die Länge, so dass ein großer Teil der Zuhörer irgendwann entnervt den Saal verließ. Nach zwei Stunden wurde dann ein „Kompromiss“ vorgestellt, dass nach der Haushaltsvorstellung durch den Stadtkämmerer aus jeder Fraktion 1 Person 5 Minuten etwas zum Haushalt sagen und in diesem Zusammenhang auch die Freibäder thematisieren könne.

Bevor überhaupt etwas zu den Freibädern gesagt werden konnte, mussten die Zuschauer dann allerdings noch die Fragestunde zu unterschiedlichen Kasseler Themen anhören, sowie die fast einstündige Rede des Kämmerers zum Haushalt 2014. Es war nach 20.00 Uhr als die fünfminütigen Statements zu den Freibädern abgegeben werden konnten. Bis dahin hatten viele der Zuhörer, insbesondere Familien, ältere Menschen, Jugendliche, enttäuscht über so viel Hinhaltetaktik, den Saal verlassen.

Der Schlagabtausch ging dann recht schnell. Die Redezeit war ja begrenzt. Dann war Pause.

Was mich entsetzte, war das Verhalten der Abgeordneten. Dieses wurde beim darauffolgenden Punkt Stadtteilbibliotheken noch deutlicher:
In Kassel haben sich viele Menschen für die Stadtteilbibliotheken engagiert, und es gibt gute Gründe, über die Ergebnisse des Bürgerentscheids, der eine deutliche Mehrheit für die Bibliotheken ergab, aber das Quorum nicht erreichte, zu diskutieren. Die Argumente möchte ich hier gar nicht aufführen, möchte aber die demokratische Kultur der Kasseler Stadtverordneten beschreiben.
Der Oberbürgermeister Bertram Hilgen gab ein kurzes Statement ab, warum die Bibliotheken geschlossen werden müssten. Danach gab es Gelegenheit zur Diskussion und die Opposition hatte die Möglichkeit, Argumente für den Erhalt der Bibliotheken vorzutragen. Was sie auch sehr gut getan hat. Es gibt viele gute Argumente für die Stadtteilbibliotheken und auch für die Freibäder!

Der Oberbürgermeister hörte aber gar nicht zu!!
Er ging durch die Reihen seiner Fraktion und hielt mit mehreren Abgeordneten kurze Schwätzchen. Dann ging er wieder zu seinem Platz und las in seinen Unterlagen, ebenfalls unterbrochen von Gesprächen mit seinem Nachbarn. Sein Desinteresse an dem Thema wurde mehr als deutlich signalisiert.
Auch verschiedene Mitglieder der Rot-Grünen-Fraktion zeigten ähnliches Verhalten. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Christian Geselle, spielte unentwegt mit seinem Handy. Vielleicht schrieb er auch SMS, jedenfalls war ihm die Auseinandersetzung mit diesem Gerät wichtiger,als der Diskussion zu folgen, zwischendurch schwatzte er mit seinem Nachbarn.

Der Landtagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende Frankenberger hatte mehrere Tüten mit Süßigkeiten vor sich auf dem Tisch liegen, bediente sich hier häufig und bot seinen Nachbarn daraus an, dabei führten sie angeregte Gespräche.

Der SPD-Geschäftsführer und ebenfalls stellvertretende Fraktionsvorsitzende Enrico Schäfer fiel schon während der gesamten STAVO-Sitzung auf, er verließ häufig seinen Platz und ging durch den Saal, um mit unterschiedlichen Kollegen zu plaudern. Dieses Verhalten intensivierte sich noch deutlich während des Argumentenaustauschs zu den Stadtteilbibliotheken. (In der Schule denkt man bei so einem Verhalten über eine ADHS-Überprüfung nach.) Mehrfach lief er auch zur ersten Reihe, zum Platz des Landtagsabgeordneten Frankenberger. Herr Schäfer holte sich hier häufig Süßigkeiten, begutachtete dabei auch unterschiedliche Gummibärchen, hielt sie in die Luft, zeigte dabei z.B. auch eines einer Dame aus der Grünen-Fraktion, die dann per Handzeichen ebenfalls welche anforderte. Dieses animierte auch weitere SPD-Mitglieder, die Hände aufzuhalten, so dass Herr Schäfer auch hier weitere Gummibärchen verteilte. Wenn Herr Schäfer zwischendurch mal an seinem Platz war, hatte er natürlich auch ein Handy, mit dem er sich gerne beschäftigte – ach ja und irgendwann holte er sich auch noch ein Fertiggericht von draußen. (Besteck kann man auf den Tisch legen, Herr Schäfer warf es aber lieber. Wahrscheinlich sprach gerade ein Abgeordneter der Opposition, den er besonders ärgern wollte.)

Grünen-Fraktionsvorsitzender Gernot Rönz und SPD-Abgeordete Esther Kalveram fielen nicht durch ihre inhaltlich sehr mageren Redebeiträge auf, sondern durch lautstarke und unqualifizierte Zwischenrufe.

Bürgermeister und Magistratsmitglied Jürgen Kaiser war während der gesamten Redebeiträge mit seinem Tablet-Computer beschäftigt. Auch wenn er ihn so im Arm hielt, dass seine Nachbarn nicht sehen konnten, was er dort machte: Von der Empore aus war deutlich zu sehen, dass er mit Bildern und Spielen beschäftigt war, die nichts mit dem Thema der Sitzung zu tun hatten.Wenn Herr Kaiser dieses auch während seiner weiteren Arbeitszeit macht, erklärt das einiges... (Ein kleiner Tipp an den Bürgermeister. Nur bei leerer Empore mit dem Tablet spielen. Man hat von oben wirklich eine gute Einsicht.)

Auf der Tribüne saßen Menschen, die sich monatelang intensiv für den Erhalt ihrer Stadtteilbibliotheken eingesetzt haben. Das hat sie viel Zeit und Kraft gekostet. Sie haben sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihren Argumenten gewünscht. Das despektierliche Verhalten der Abgeordneten gegenüber ihrem Anliegen ist neben der Ablehnung eine weitere Ohrfeige.
Hier wurde ganz deutlich: In Kassel wird Politik über die Köpfe der Bürger hinweg gemacht. Die Anliegen der Menschen interessieren die regierende Politiker nicht. Dieses wurde den Menschen, die sich für die Freibäder und die Stadtteilbibliotheken engagieren, in der Stadtverordnetenversammlung am vergangenen Montag mehr als deutlich demonstriert.

Ich bin entsetzt über die politische Kultur in Kassel und über unsere gewählten Volksvertreter.
Wenn ich nicht so wütend gewesen wäre über die Ignoranz der Rot-Grünen-Abgeordneten gegenüber den Anliegen der Bürger der Stadt, hätte ich mich fremd-geschämt.

Froh bin ich nur darüber, dass ich meine Kinder nicht mit in die Sitzung genommen habe. Sie haben noch eine so hehre Vorstellung von Demokratie.
Übrigens, auch wenn die Zuschauer, die die Diskussion um die Freibäder verfolgen wollten, von einem SPD-Mitglied als „Mob“ bezeichnet wurden (weche Ignoranz!), möchte ich darauf hinweisen, dass auf der Empore lauter unbescholtene Bürger saßen, die allerdings die bürgerferne Politik von Rot-Grün immer wütender werden lässt. Viele haben – wie ich – über Jahre/Jahrzehnte Rot-Grün gewählt und müssen jetzt wohl erkennen, dass das – zumindest in Kassel – ein Fehler war.


Dr. Gudrun Spahn-Skrotzki

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Kommentare

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blogwart am :

Bei dieser Schilderung der Sitzung vermisst man wirklich die Möglichkeit, per Video mitzuschneiden und später zu sichten. Die Volksverdreher wissen schon, warum sie dieses "moderne" Feature abgelehnt haben...

Klaus Schaake am :

Man vermisst auch eine solide Darstellung aus der Perspektive der Befürworter dieser Politik. kassel-zeitung als Mitmach-Organ wäre ein ideales Forum für eine solche Debatte, in der Befürworter wie Gegner ihre Positionen darlegen können. Schade, dass das nicht passiert.

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