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Ist Joachim Gauck der Kandidat des Finanzkapitals?



Herbst 2011. In den USA und in Europa demonstrieren im Rahmen der Occupy-Bewegung hunderttausende, vor allem junge Menschen gegen die Zumutungen des Finanzkapitalismus und für eine gesicherte Zukunft und ein Leben in Würde. Sie fordern eine Beschränkung der astronomisch gestiegenen Vergütungen der Bankmanager, eine Transaktionssteuer, die Begrenzung des irrwitzigen Derivate-Handels, die Trockenlegung der Steueroasen und insgesamt eine straffe Regulierung des Bankensektors.

Auch der ehemalige Kirchenfunktionär, DDR-Reisekader und Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde Joachim Gauck äussert sich in einem "Zeit"-Interview empört. Aber nicht etwa über die Zumutungen des Finanzkapitalismus, sondern über die Occupy-Bewegung. Deren Proteste findet er "unsäglich albern".
Er glaubt, dass die Occupy-Bewegung von "romantischen Vorstellungen" und einem "Irrtum" getragen sei. So im einzelnen hat sich der gelernte Theologe dann doch wohl nicht mit der Occupy-Bewegung befasst, denn als gewichtigstes Gegenargument gegen deren Forderungen fällt ihm vor allem ein, dass auch "in der DDR die Banken besetzt waren", na ja, und man weiss, wo das hinführte.

Und weil man natürlich mit dem Analogieschluss SBZ/DDR nach 1945 - globaler Finanzkapitalismus 2011 nicht besonders Eindruck machen kann, verliert sich Gauck dann doch lieber im Allgemeinen. Er warnt vor einer Protestkultur, die "aufflammt, wenn es um den eigenen Vorgarten geht". Speziell die angebliche deutsche Neigung zu Angst und Hysterie findet er "abscheulich". (Zitate nach sueddeutsche.de v. 17.10.2011)

Mein Fazit: Wir können momentan eigentlich nur darüber spekulieren, warum Springer und Bertelsmann als die richtungsgebenden Medienhäuser die "Geschäftchen" des Christian Wulff in der beobachteten Weise wochenlang zum Thema machten und man ihm jetzt sogar den "Ehrensold" streitig macht. Immerhin ging man mit Politikern, die echter Hardcover-Korruption beschuldigt wurden, sehr behutsam um. Man denke nur an den Balkan-Kriegshelden Rudolf Scharping, der sich von dem Waffen-Lobbyisten Hunziger mit Einkaufsgutscheinen belohnen liess. Oder man denke auch an den Korruptionsfall Leuna/Elf-Aquitaine in der Amtszeit Kohl, der in Frankreich einen Innenminister hinter Gittern brachte, für den in Deutschland sich aber weder Justiz noch Medien besonders interessierten.

Warum also Wulff sich bei den herrschenden Kreisen des Landes so unbeliebt gemacht hat, darüber können wir nur spekulieren. Dagegen wissen wir im Hinblick auf die Frage, warum Joachim Gauck so beliebt bei ihnen ist, schon etwas mehr.

Einen sehr guten Artikel zur Einschätzung Gaucks und der Motive derjenigen, die ihn ins Präsidentenamt drängten findet sich heute bei nachdenkseiten.de - hier ist der link

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Kommentare

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Hans Weichlein am :

Das geht ja gar nicht! Da hat doch der alte/neue BP-Kandidat tatsächlich eine eigene Meinung und äußert sie auch
noch - pfui Teufel!!! Dann doch lieber Wulff - zwar ohne eigene Meinung (außer: Der Islam gehört zu Deutschland und Sarrazin in die Wüste...), dafür aber mit einem ausgezeichneten Gefühl für finanzielle Vorteile und Schnäppchen aller Art - oder wie, oder was???

Richard Kallok am :

Eigene Meinung ist immer gut. Die Frage ist nur, welche Meinung man vertreten darf, um von den herrschenden Gruppen und ihren journalistischen Hilfsscharen als Kandidat den Parteien quasi aufgedrängt zu werden. Man stelle sich vor, Gauck hätte sich gegenüber der US-geführten internationalen Finanzmarktmafia so abfällig geäussert wie gegenüber den Finanzkapital-Kritikern. Hätte er dann irgendeine Chance gehabt? Der Artikel von Wolfgang Lieb bei nachdenkseiten.de macht schon deutlich, worum es geht.

Hans Weichlein am :

Stimmt ja alles, und Joachim Gauck hat mit seiner Kritik die Weichen dafür gestellt, dass er für die Wirtschaftsvertretung in der Koalition - auch FDP genannt - erst hoffähig wurde.
Im übrigen vertritt er in diesem Fall seine Meinung (ich sehe das eher so wie Sie) und nicht meine, was er auch nicht muß. Ich respektiere seine Sicht der Dinge und ich respektiere auch, dass er sie geäußert hat. Sähe er die Sache so wie wir, hätte er auch das nach meiner Meinung klar gesagt und wäre dann mit Sicherheit niemals nominiert worden.
Ich bin überzeugt davon. dass er darauf keine Rücksicht genommen hätte, auch wenn er seine Kandidatur damit ad acta gelegt hätte.

OPP am :

Ja, Kallok, alles eine große Verschwörung! Aber so schwer zu beweisen, echt blöd...

Richard Kallok am :

Auf die Frage nach dem "wem nützt es?" wird inzwischen von bestimmter Seite relexartig mit dem Vorwurf der "Verschwörungstheorie" reagiert. Interessant ist es, dass eben in diesem Spektrum sich auch die Anhänger der monströsesten Verschwörungstheorien befinden, ob es die von der islamischen Weltverschwörung und "Osama und den 19 Räubern" ist oder die Geschichte von der angeblich 1998 für Polizei und Dienste völlig spurlos untergetauchten Rechtsterror-Gruppe NSU ist.

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