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Schürzenjäger

Unglaublich, was Mann für Erfahrungen macht, wenn er auf der Suche ist. Mal sind die Objekte der Begierde eine einzige ästhetische Frontalattacke, mal sind die schlicht und ergreifend nicht da, wo sie sein sollten. Gar nicht so einfach, eine anständige, deutsche Schürze zu kaufen, damit die Liebe durch den Magen gehen und Vatis textile Offenbarung sauber bleiben kann.
"Eine Schürze, auch Vorbinder oder Vorstecker genannt, ist ein Kleidungsstück, das vor den Bauch und manchmal auch die Brust gebunden wird, um die Kleidung vor Schmutz zu schützen. Je nach Verwendungszweck können Schürzen aus verschiedenen Materialien bestehen, beispielsweise aus verschiedenen Stoffarten, Gummi, Blei (beim Röntgen) oder Leder" klärt mich wikipedia zum Objekt meiner männlichen Begierden auf.
Eine mir wohlgesonnene Dame wollte ich also mit dem großen Kochprogramm stimulieren, weil die Innereien ( bes. Magen, siehe oben) bei der Partnersuche ja offensichtlich eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, wie der Volksmund so treffend behauptet. Und weil nicht wie der allerletzte Waldschrat auftreten wollte, während die dezenten Liebesbeweise im Krisenherd köchelten, brauchte es eine vernünftige Schürze, damit das grobmotorische Abgeputze meiner Extremitäten am frisch Gebügelten und Gestärkten keine verfärbten textilen Kunstwerke hinterließe, die die potenzielle Kandidatin an mir würde (ver)zweifeln lassen können.
Im Laden 1, gelegen in jenem Teil der Fuldastadt, der sich wegen seines Titels gegen allerlei Siechtum arroganterweise für "Kassels beste Seite" hält, hat es nur extrem konservative Modelle, die - weiß Gott - keinen hinterm Herd hervorzulocken in der Lage wären. Männer schon gar nicht. Außerdem mit viel zu hohem Weißanteil. Und das, wo ich nie Kochwäsche zu machen pflege. Kein Wunder, dass bei der soziologischen Zusammensetzung der angestammten Ethnien auch die Geschäfte entsprechend sortiert sind. Jedenfalls nichts für mich.
Auf der weiteren Suche sondiere ich Laden zwei, der eher zufällig meine Aufmerksamkeit erregt: Dort wird üblicherweise Handarbeitliches gereicht. Und wenn Kochen mal keine Handarbeit ist! Ich also rein und trage mein Anliegen vor. Die Verkäuferin stöhnt. Nicht wegen mir. Eher, weil es kurz vor Feierabend ist und das Leben es heute nicht so gut mit ihr meinte. Ich versuche ihr Mut zuzusprechen, dass sie die paar Minuten bis zum Geschäftsschluss auch noch durchhält. "Das denken Sie. Ich habe ab 19 Uhr noch einen Handarbeitskurs", sagt sie. "Dann holen Sie sich doch schnell noch nebenan am Kiosk ein Bier. Das hilft manchmal", sage ich. Sie lacht.
Die Verkäuferin kramt irgendwo tatsächlich das ein oder andere Schürzenmodell raus. Dass das Teil für den Chef selber sein könnte, ist ähnlich schon wie in Laden eins, der Imaginationsfähigkeit nicht zwingend zugänglich, wie ich bemerke, als sie fragt, für wen das gute Stück eigentlich ist. "Dann nehmen Sie das Jeansmodell", ordnet sie an. "Das ist aber so albern bestickt", sage ich zu der dezenten nordfriesischen Landschaft inklusive Leuchtturm, die in zartem weiß auf die Brust gestickt ist. "Was haben Sie denn dagegen", fragt die Verkäuferin einigermaßen verständnislos und bietet an, dass sie mir meine zukünftige Schürze auch selbst besticken könnte. "Und da stehe dann 'Von Mutti' drauf", frotzele ich. Die Verkäuferin und ich fangen an uns zu verstehen. Sie erzählt mir die Geschichte einer Bekannten, die einen rabenschwarzen Schal für ihr genetisches Vermächtnis zu stricken hatte. Ganz exakt, so wie es der Testosteronbomber geordert hatte. "Und unten, ganz am Ende, hat sie dann 'Made by Mama' in rot reingestrickt", erzählt sie. Was der Nachwuchs gut fand. Sagt sie.
Also keine Jeansschürze. Sie zeigt mir was sie noch so am Start hat. Dabei eine die man sich lediglich um die Hüfte bindet. Also "oben ohne" und wo somit die Gefahr besteht, sich auch im Brustbereich einzusauen. Farblich auch nicht so meine Baustelle. "Die erinnert mich an 'Ein Käfig voller Narren'. Kennen Sie den Film?", frage ich. Die Verkäuferin lacht. "Davon haben meine Kinder alle Folgen zuhause. Das können Sie bei uns mal angucken", sagt sie. Dass es davon mehrere gäbe, ist mir unbekannt, vielleicht sprechen wir auch einfach nett aneinander vorbei. Egal, in der Schürzenfragen kommen wir nicht weiter. Wir verabschieden uns.
"Alle guten Dinge sind drei", weiß mal wieder wer? Richtig: der Volksmund. Ohne über Los zu gehen, steuere ich Laden drei an. Einer, in dem es hochwertige Küchen- und Gartengerätschaften zu erstehen gibt. Eine ältere Dame nimmt mich in Empfang. "Kann ich Ihnen helfen?" "Ich brauche eine Schürze", trage ich mein Anliegen vor. Zielgerichtet nimmt sie mich mit und wir stehen an einem kleinen Ständer mit reichlich verschiedenen Modellen. Auch hier wieder die Frage, für wen es denn sein soll. Ich erblicke sogleich ein mehrfarbiges Streifenmodell, was mir gefällt. Streifen im Hochformat sollen ja schlank machen…
"Die müsste ich mal überstreifen", sage ich und schreite zur Tat. Über der Brust beult es sich ein bisschen. Nicht weil meine Körbchengröße über Nacht gewachsen wäre, sondern der Schnitt. "Da gibt es einen Knopf zum Verstellen", sagt die Verkäuferin. Wenn es gar nicht passt, können Sie den Knopf auch noch versetzen", sagt sie. "Und wer soll das machen?" frage ich. Sie mustert mich kurz und sagt ganz schlagfertig: "Wer kochen kann, näht auch so einen Knopf um." Recht hat sie! Kurz bevor ich den Deal perfekt mache, frage ich, ob sie einen Spiegel hat. "Ich würd' mich gern mal sehen." Das kam bislang wohl noch nicht vor. "Wir sind ja kein Modehaus", sagt die Verkäuferin, macht aber pragmatischerweise gleich einen Vorschlag, wie es gehen könnte. Irgendwo gibt es was spiegelartiges. Der Kauf ist perfekt.

Und die drei Gänge, die ich meiner Kandidatin auf den Schleudersitz moderner Partnerschaft zwischen neurotischen Mittvierzigern mit meiner neuen Errungenschaft kredenze, kommen auch gut an. Mann darf gespannt sein.














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