Skip to content

Mit der Finanzkrise auf du und du

Damals, als der Göttinger Mescalero klammheimliche Freude über den "flotten Dreier" verlautbarte, konnte ich noch nicht mitreden, geschweige denn wusste ich was über die Klammheimlichkeit der Freuden. Klamm kenne ich dafür heute umso besser, nachdem ich auf die Heimseite meiner Fondsverwaltung schaute.

Noch in den kapitalistischen Verwertungszusammenhang einbezogen, konnte ich seinerzeit immerhin noch die Ausbeutung der eigenen Arbeitskraft realisieren, um mich "drin" zu fühlen. Und solange man drinnen ist, hat man natürlich auch einen Berater für das so genannte "Vorsorgemanagement" - auf das man auf der sicheren Seite des "Walk on the Wild Side" wandeln möge. Dabei lässt man sich von paranoiden Finanzvermittlern in deren geleckten Büros auf dem Bildschirm gigantische Versorgunslücken in Form roter Balken anzeigen, die sofortigen Handlungsbedarf suggerieren, damit sie sich nicht zum Versorgungskrater auswachsen.
Und selbstverständlich hat mein persönlicher Vorsorgeassistent auch immer gerade das richtige, natürlich ganzheitliche und vor allem nachhaltige und zukunftssichere Finanzprodukt im Angebot, mit dem ich, in meinen Versorgungsschützengraben liegend, ab fünfuhrfünfundvierzig zurückschießen kann, um drohendes Unheil abzuwenden.
So vertraute ich Idiot die paar Kopeken, die ich erübrigen konnte und die mein Expropriateur und mein Staat mit der so genannten Arbeitnehmersparzulage zu einem sensationellen Vermögen aufbauen wollte, auf das ich nicht auf ewig mittellos sei, natürlich auf Anraten meines persönlichen Finanzmanagers einem Fond an.
Ganz sichere Sache! Ganz großes Kino, also.

Ich und mein Kapital: Wir hatten uns entfremdet
Damit man das arbeitnehmerbezulagte Vermögen nicht bei der ersten Gelegenheit verfeiert, traf mein Vater Staat Vorsorge: Sechs lange Jahre sollte mein Vermögen anwachsen, bevor ich einen anständigen Schluck aus der Pulle nehmen würde können. In Worten sechs! In meinen konkreten Fall bis Ende 2008. "Kein Drama, lässte die Korken halt 2009 knallen", dachte ich. Bis vor kurzem.
Die Pleite "meiner" Lehmann-Brüder und andere Unpässlichkeiten der globalen Finanzarchitektur ließen mich noch einigermaßen unberührt "denn, deine blauen Augen machen mich so sentimental, kaum zu glauben, was ich dann so fühle ist nicht mehr normal" stand zeitweise auf der persönlichen Wolke 9-Agenda.
Bis ich dann irgendwann mal auf die Idee kam, das globale Drama mit meinem kümmerlichen Dasein in Beziehung zu setzen. "Entfremdet ist man, wann man nicht mehr aktiver Teilnehmer der Verhältnisse ist in denen man lebt", brannte mir neulich, als wäre es nur allein für mich gedichtet, auf dem Sofa lesend eine Philosophin ins Hirn.
Ja, ich hatte mich von meinem weltweit herumvagabundierenden Kapital und von mir selbst entfremdet und um mir selbiges wieder anzueignen musste ich nach sechs langen Jahren des Wartens auf der Heimseite meiner Fondsfreunde erstmal ein Formular herunterladen, damit sie einen Scheck oder ähnliches würden schicken können.

Defensive Ausrichtung gegen negative Auswirkungen???!!!
Unter aktuelle Themen fand ich dann auch sogleich unter der vertrauenserweckenden Überschrift "FRANKFURT-TRUST zur Finanzkrise" was für mich Passendes:
"Die Lage an den Kapitalmärkten ist äußerst angespannt: die Banken leihen sich untereinander kein Geld mehr, einige Anlageinstrumente sind nicht mehr handelbar und gut etablierte Gesetzmäßigkeiten des Marktes scheinen außer Kraft gesetzt. Die Regierungen und Notenbanken der großen Industrieländer haben auf diese Situation schnell und angemessen reagiert, ohne aber die Märkte nachhaltig beruhigen zu können. Die Weltwirtschaft dürfte daher eine lange Durststrecke vor sich haben.
Auch unsere Fonds konnten sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Mit einer im Rahmen der jeweiligen Anlagerichtlinien möglichst defensiven Ausrichtung versuchen wir die negativen Auswirkungen auf die Fondsportfolios zu begrenzen. Vor dem Hintergrund der dramatischen Zuspitzung der Finanzkrise sind Wertminderungen bei vielen Fonds allerdings unvermeidlich. Langfristig orientierte Anleger sollten sich von der aktuellen Situation nicht verunsichern lassen. Die hohen Risiken der aktuellen Situation eröffnen auch neue Chancen. Wir empfehlen daher eine zwar vorsichtige, aber immer noch Chancen wahrende Mischung des Portfolios.
Noch ein paar Worte zur Sicherheit Ihrer Anlage: Investmentfonds müssen als Sondervermögen unabhängig vom Vermögen des Anbieters verwaltet werden. Natürlich bewahrt dies nicht vor Wertverlusten des Portfolios. Im Unterschied zu anderen Anlageformen aber ist das Vermögen von Fonds selbst im Falle der Insolvenz eines Anbieters vor dem Zugriff Dritter geschützt. Näheres zum Thema "Investmentfonds bieten Insolvenzschutz" finden Sie auf folgender Sonderseite des BVI Bundesverband Asset Management und Investment: http://www.bvi.de/de/sonderseiten/faqs/insolvenzschutz/index.html.
Bei weiteren Fragen sind wir unter info@frankfurt-trust.de und Telefon 069 / 9 20 50 200 gerne für Sie da."


Bruce Cockburn kommt mir in den Sinn, als ich darüber nachdenke, persönlich in Mainhatten anzutreten, um die Befreiung meines Kapitals aus der Knechtschaft des Fondmanagements zu betreiben: "If I had a rocket launcher."

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.
Um einen Kommentar hinterlassen zu können, erhalten Sie nach dem Kommentieren eine E-Mail mit Aktivierungslink an ihre angegebene Adresse.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

BBCode-Formatierung erlaubt
Formular-Optionen