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Finanzkrise - Die unheimliche Freude!

Der Raubierkapitalismus ist gescheitert, die Heuschrecken verlassen die Bankentürme, die Illusion vom endlosen Raffen ist zerborsten wie ein leeres Sparschwein.
Aber noch ist es nicht ganz überstanden.
Die ganze Unverfrorenheit derer, die geglaubt haben, es ginge immer so weiter, zeigt sich nun in ihrer unglaublich schnellen Kehrtwende. Gestern noch die überlegenen Ritter des globalen Kapitals, liegen sie heute auf den Knien und betteln diejenigen um Rettung an, die sie jahrelang für dumm verkauft haben: Uns, das Volk. Jetzt möchten sie nur zu gerne unter die Fittiche des Bundesadlers flüchten – und zwar ohne Gegenleistung. Das ist schon dreist.

Ebenso flexibel zeigt sich auch ihre politische Gefolgschaft. Gestern noch die Wegbereiter für den möglichst schnellen Rückzug des Staates aus allen jenen Bereichen, die von der Wirtschaft als dividendenträchtig identifiziert wurden. Heute die Vorkämpfer für eine staatliche Regulierung des Banken- und Finanzwesens. Natürlich im Interesse des Volkes. Da staunt das einfache Parteimitglied von SPD, CDU und FDP ob der überaus raschen Wende des Führungspersonals.

Neue Töne auch in den Parlamenten: Mehr Kontrolle, mehr Sicherheiten, mehr Staat, vielleicht doch nicht alles privatisieren, wie sicher sind die ÖPP-Modelle?... Forderungen und Fragen, die andere schon länger gestellt haben und dafür hochnäsig abgekanzelt wurden.

Gestern noch Hochmut, Herablassung, Besserwisserei und Überheblichkeit bei den eifernden Privatisierern in den Parlamenten. Heute wollen sie krampfhaft den Eindruck vermitteln, dass sie eigentlich schon immer skeptisch und vorsichtig abwägend waren. Vorbei ist es mit der großmäuligen Arroganz und dem penetranten „was versteht ihr schon Wirtschaft“! Dabei waren und sind es nicht mehr als die Einflüsterungen der Wirtschaftslobby, die die fremdgesteuerten Volksvertreter und „Wirtschaftsexperten“ wiederkäuen konnten. Nun, da ihre Souffleure den Kopf in den Sand stecken, kehrt wohltuende Ruhe ein.

Ich kann mir nicht helfen, aber da kommt unheimliche Freude auf. Obwohl mir klar ist, dass wir dennoch die Zeche zahlen müssen.

Es lebe die soziale Marktwirtschaft!

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Kommentare

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Martin Reuter am :

Lieber Genosse Ehle, Ihre nicht klamm-, sondern unheimliche Freude ist mir wirklich unheimlich. Dieses (auch typographisch) fette Sieges-Gejubel ist doch schon mehrfach angestimmt worden? Und musste dann mehrfach der Fassungslosigkeit über "dynamische Anpassungsleistungen" durch "das System" weichen?
So lange die Casino-Variante (Keynes) 'unseres' Wirtschaftssystems möglich ist, wird es (mit stiller Zustimmung breiter Teile der Bevölkerung bei gleichzeitigem verbalem Empörungs-Ausgleich) so weiter gehen.
Ich finde Ihre starke Botschaft wunderbar engagiert und halte sie für falsch. Zumal Sie selbst ja sagen: "Die Zeche zahlen Andere." Das ist doch kein Anlass für Jubel. Was soll ich denn in den 15 Jahren, die ich vielleicht noch lebe, jetzt noch *ganz überstehen*?

Wolfgang Ehle am :

Lieber Herr Reuter,
es ist immer wieder erbauend und lehrreich, von Ihnen kommentiert zu werden (ehrlich gemeint!). Nun haben Sie diesmal vielleicht etwas zu viel in meine Zeilen hinein interpretiert.

Die Botschaft, die Sie aus meinem Text herausdestillieren, gibt's eigentlich nicht. Es ist ganz einfach so: Mir hat es sehr gut getan, mir den Ärger und die Wut mal von der Seele zu schreiben. Mag die Redaktionskonferenz darüber befinden, ob ich damit die Plattform Kassel-Zeitung missbraucht habe ;-)

Wenn Sie dennoch eine Botschaft suchen: Ich halte das Konzept der sozialen Marktwirtschaft wirklich für vernünftig. Über die Balance zwischen "sozial" und "Markt" können wir und ja noch ausgiebig debattieren. Die nächsten "15 Jahre"...

Herzlich
Wolfgang Ehle

PS: Bitte nennen Sie mich nicht Genosse. Ich bin ein Grüner (und würde den Sozis etliche von meiner Sorte wünschen...)

Martin Reuter am :

Werter Grünling!
Nr. 1: Aus einem Text kann man, nach meiner Kenntnis von Linguistik + Systemtheorie, nicht "mehr oder weniger herausdestillieren oder hineininterpretieren". Man nimmt den Text einfach auf und geht dann in die eigene Richtung. Dadurch entsteht kostbare Reibungsfläche. Meiner Vorstellung von "Zeitung" käme 'man' schon sehr viel näher, wenn dies mehr als Glück (Bereicherung) denn als Schaden betrachtet würde.
Nr. 2: Wut und Emotionen zu äußern ist auf dieser Plattform sicher ein vornehmes (und vor allem nur hier anerkannt gewährtes, eher gestärktes) Recht. Daraufhin so genannte "Anschlussleistungen" kreieren zu dürfen, ist aber sicher nicht weniger erwünscht. Die Frage nur, wieviel Anmache und Irritation die Beteiligten dabei ertragen können. Ich beklage das viel zu dünne Nervenkostüm bei viel zu seltenen 'Auseinandersetzungen'.
Nr. 3: Wie viele Jahre wir noch bei einer Auseinandersetzung über das "Konzept der sozialen Marktwirtschaft" verbringen werden, dass Sie ja OK finden, ist schwer vorauszusagen. Zumal sich dieses ja im Moment selbst schreddert. Ich hab Sie (glaub ich) schon richtig als "Genossen" tituliert, weil es im Moment ja überhaupt nur noch 'Revisionisten' gibt, d.h. Leute, die sich das Wirtschaften und Gesellschaften als verallgemeinerte SPD vorstellen - Merkel inclusive. ("Teilverstaatlichung" haha) Geblendet!
Jetzt kann ich hier nicht länger und breiter werden. Lasset uns frohgemut streiten! Mit ökosozialem Gruß!

Helmut am :

Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren - das ist zusammengefaßt der Inhalt des Artikels.

Eine Kleinigkeit vermisse ich persönlich allerdings in der großen Klage gegen die Zocker und Player in den Banken: All die "Produkte" die da auf morschen Krediten und allerlei dubiosen Wetten aufgebaut wurden - die wurden nicht nur von anderen Gierigen mit geröteten Nasenflügeln in den Stahl- und Glaspalästen gekauft, sondern, und das macht das Ganze so verschränkt: Von all den vielen Privatkunden, denen die Zinsen eines Postsparbuches eben nicht genug waren, und die es - informiert oder blauäugig - auf größere Gewinne aus anderer Leute Arbeit abgesehen hatten. Die Gier geht durch bis ganz nach unten.

So what.

Wolfgang Ehle am :

Danke für die Ergänzung. So ist es: "Die Gier geht durch bis ganz nach unten." Das Wissen um die Zusammenhänge folgt diesem Wege allerdings meist nicht.

Helmut am :

Was glauben Sie, was ich mir schon für meine Weigerung anhören mußte, doch "aus meinem Geld was zu machen"!

Richard Kallok am :

Die Tendenz des Artikels ist zu optimistisch. Es wird keine Regulierung des Finanzkapitalismus geben, denn das wäre sein Ende. Der gewaltige Finanzkapitalüberhang (ca. 120 Billionen Dollar) wird sich ausweiten, auch wenn es zwischenzeitlich Regulierungsversuche geben sollte. Der Finanzkapitalismus hat nämlich seine Quelle nicht in der Spielsucht und der Gier der Banker, sondern in den verloren gegangenen Akkumulationsmöglichkeiten der Realwirtschaft. Selbst Konzerne wie VW erwirtschafteten am Finanzmarkt längere Zeit höhere Gewinne als im operativen Geschäft. Natürlich hat der Finanzmarkt inzwischen seine Eigengesetzlichkeit entwickelt, ist das Riesenheer an Investmentbankern auf Selbsterhalt bedacht, ist er zur Lebensgrundlage grosser (ehemaliger) Industrieländer geworden, - siehe Grossbritannien. Fazit: Das historische System des Kapitalismus, das uns Älteren einige schöne Jahrzehnte beschert hat, gerät an seine Grenzen und wandelt sich auch hierzulande immer augenfälliger von einem System des Wohlstands (wieder) zu einem System der Krisen. Die geografische Expansion des Kapitalismus hat sich nicht nur erschöpft, sondern dem atlantischen Kapitalismus neue Konkurrenz beschert, die ihrerseits Anlagemöglichkeiten für ihr Geldkapital sucht. Bei der Kommodifizierung der Lebensverrichtungen bleibt, sieht man von solchen Nischen-Dienstleistungen wie dem kommerziellen Hintern-Abputzen ab, nicht mehr viel Spielraum.
Statt Regulierung des Finanzkapitalismus steht uns, ohne das sich der Zeitrahmen genau bestimmen liesse, eine Transformation des gesamten Systems bevor. Vielleicht hat sie schon begonnen und vielleicht hat, so wie beim Übergang vom Feudalismus zum Handelskapitalismus, die herrschende Klasse das als erste realisiert.

Martin Reuter am :

Lieber Kollege Kallok, eine solche Philippika hätte ich mir in meinen schönsten Anerkennungstagen nicht erlauben dürfen...
Vielleicht denken wir mal über die erneut vergebliche Hoffnung auf eine "Transformation des Sytems" - mit veralteten Begriffen und Haltungen - nach. Denkense ma über die "herrschende Klasse" nach. Meinse denn, dass Sie/Du da unbeteiligt sind? (Als Aufklärungsklasse der Massen, mein ich jetz. Sacht meine Omma.)

Wolfgang Ehle am :

Also, Herr Reuter, den Kollegen Kallok so einzumachen...
Der hat doch - genau wie ich - nur mal seine Wut & Verzweiflung raus gelassen.

Aber ich hätt' auch gern mal gewusst, lieber Richard, was bedeutet denn "Kommodifizierung der Lebensverrichtungen"? Diese Floskel ist so schön, dass ich sie in meinen aktiven Sprachgebrauch aufnehmen möchte - vorausgesetzt, sie wird mir erst einmal erklärt ;-)

Richard Kallok am :

Hallo Wolfgang, Martin usw.,
..Kommodifizierung - das heisst warenförmige Zurverfügungstellung von Produkten oder Dienstleistungen, die Menschen früher selbst erstellten. Früher briet (? Vergangenheit von `braten`) man seine Frikadelle selbst, heute wird uns ein irgendwo auf dem Globus frikallenmässig geformter, frisch aufgetauter und gebratener Fleischteig als "Hamburger" in der Treppenstrasse serviert. Früher schnitt und feilte man seine Fingernägel selbst, heute besucht jeder anständige Mensch zu diesem Zweck ein nail-Studio.

Wolfgang Ehle am :

Also reden wir hier über "Convenience Produkte" - sag's doch gleich auf Deutsch!

Martin Reuter am :

Mei, auf Präitalienisch hätt ichs mir schon erklären können, aber ich darf ja nicht! Schwere Querschüsse bei Akademiker-Verdacht... Dabei werden wir unseren Grips ("unseren" = alle Gripse!) vermutlich doch brauchen. Z.B. wenn jemand eine solche oder ähnliche Frage stellt: Was bewegt xy, za zu tun? (Vgl. die Frage. warum die HNA so verliebt in Regionalflughäfen ist. Mir wär ja eine sog. echte Antwort lieber als die Frage.

Wolfgang Ehle am :

Es war einmal - vor knapp zehn Jahren - da traf sich der Wirtschaftsrat der CDU, Sektion Darmstadt, auf Einladung der Fraport AG (damals noch FAG) zu einer Präsentation über die Notwendigkeit des Ausbaus des Frankfurter Flughafens.

Die Teilnehmer, unter die ich mich – ganz am Anfang meiner Ausbaugegner-Karriere – noch unerkannt mischen konnte, bestand überwiegend aus bodenständigen Odenwälder Handwerkern und Gewerbetreibenden.

Der Vortragende stellte wortreich und überzeugend die zwingende Notwendigkeit einer Kapazitätsausweitung aus der Sicht des Flughafens dar. Er vergaß auch nicht den erhellenden Hinweis, dass das so genannte Mediationsverfahren aus Sicht seines Hauses und auch der Politik nur den Zweck hatte, „erstmal die Luft raus zu lassen“. Wer sich an die Ereignisse an der Startbahn West erinnert, weiß was er damit meinte.

Vor diesem Statement sandte er noch einen Blick in die Runde: „Wir sind ja hier heute unter uns, und Presse ist auch keine da...“

Aber ich war da. Und konnte erleben, wie der deutsche Gewerbe-treibende Kleinbürger im Jahre 1999 in schleimigster Weise den Großen aus Wirtschaft und Politik hinten rein kroch. Es war keineswegs so, dass alle diese Kleingewerbler und Mittelständler direkt oder indirekt vom Wohlergehen des Flughafens abhängig gewesen wären. Aber dennoch: die Art der Anbiederung war das widerlichste, was ich bisher erleben musste.
Man sei ja so froh, dass die FAG nun bald bauen dürfe, und da solle man ruhig hart durchgreifen, und wo kämen wir denn da hin, wenn ein paar Radikale den Fortschritt aufhalten dürften und im Übrigen wünsche man dem Flughafen nur das allerbeste...

Nicht eine kritische Stimme, nicht eine Frage nach den Risiken und Nebenwirkungen. Nur das wohlige Gefühl, auf der Seite der Rechtschaffenen zu stehen und einem Großen nach dem Munde reden zu dürfen – wer weiß, wofür es einmal gut ist.

So sind schon Diktatoren an die Macht gekommen. Die Schleimspuren der Kleingeister waren ihre Rutschbahnen an die Macht!

Weshalb ich das erzähle? Weil man mir die Frage gestellt hat, warum eine große Nordhessische Zeitung so verliebt ist in den Neubau von Kassel-Calden.

Antwort: Weil diese Zeitung konzeptionell auf eben diese Zielgruppe ausgerichtet ist. Nichts gegen Kommentare, die erkennbar die Meinung eines Redakteurs wiedergeben, sei sie auch noch so verquast. Wenn ein leitender Redakteur allerdings immer wieder die Grundregel seines Berufsstandes von der Trennung von Bericht und Meinung verletzt, und wenn er vom Verleger darin offenbar noch unterstützt wird, dann ist das ein Alarmzeichen.

Der klassische Spießbürger jedoch, wie oben beschrieben, findet nichts schöner, als sich wohlig in dem Glauben zu suhlen, dass er und die Obrigkeit im Einklang leben. Er genießt es, eine Zeitung zu lesen, die alle seine Vorurteile vorurteilslos bestätigt. Das verleiht ihm Überlegenheit; bisweilen artet dies auch in Überheblichkeit aus, denn es gibt ihm Sicherheit. Er muss vorverdautes Gedankengut ja nur reproduzieren.

Er fühlt sich im Sinne des Wortes staatstragend! Ein Medium, das diese Bedürfnisse bedient, hat ein größeres Marktpotenzial als eine kritische Zeitung. Damit dürfte die Frage beantwortet sein.

Auf die inhärenten Gefahren für die Demokratie sei hier der Vollständigkeit halber noch einmal hingewiesen.

(Kürzer fassen hätte länger gedauert...)

Joe am :

Wir zahlen die Zeche. Die Verantwortlichen werden davon kommen und haben Ihre Schäfchen im trockenen. Wenn wir nicht zahlen bricht das System zusammen und das wird keinem gut tun. Deshalb hilft nur Vorsorge. Bei Zeiten Kontrolle der Banken. Das ist allerdings schwierig und müsste global geschehen. Wie "der Markt sich selbst reguliert" sehen wir ja nun.

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