Befeuerung des Zeitungmachens
Schwer ist "der Mensch" davon zu überzeugen, dass die Äußerung der eigenen Interessen und Meinungen nicht notwendigerweise über die Stellvertreterkaste führen muss. Dazu eine zwar im Ton etwas vornehm (französisch-rhetorisch) vorgetragene, aber doch nützliche alte Geschichte.
"Die politische Aufhebung der polizeilichen Ordnung kann durch eine Apologie veranschaulicht werden, die ich Pierre-Simon Ballanche entlehne, einem französischen Denker aus dem 19. Jahrhundert. Heute fast vollkommen vergessen, ist Ballanche einer der seltenen Autoren, die einen realen und tiefen Einfluß auf die Ausbildung der Emanzipationsidee innerhalb der Arbeiterbewegung in Frankreich ausübten. In seinen Essais de paligénésie sociale erzählt er 1829 eine mythische Episode der römischen Geschichte nach, die von der plebejischen Sezession auf dem Aventin handelt. Die leidenschaftliche Auseinandersetzung, in die sich die römischen Senatoren angesichts der Trennung verwickeln, nimmt in Ballanches Erzählung eine exemplarische Bedeutung an. Die aufgeworfene Frage lautet: Soll mit den Aufständischen verhandelt werden oder nicht? Die "polizeiliche" Logik jener, die eine solche Verhandlung ablehnen, läßt sich im folgenden Argument zusammenfassen: Mit den Plebejern kann nicht geredet werden, weil sie keine sprechende Wesen sind. Aus ihrem Munde bekommt man nur Lärm zu hören, eine "Art von Gebrüll", das Hunger oder Wut anzeigt, nie aber artikulierte Rede und Diskurs. Es sind namenlose Wesen, die arbeiten, essen und sich vermehren, aber keine Wesen der Rede, der Versprechung und des Vertrags. Die polizeiliche Logik stellt also eine strenge Konfiguration des Verhältnisses zwischen der Ordnung des Diskurses und der Ordnung der Körper dar, die verschiedenen Wesen verschiedene Räume anweist. [Das ist übrigens ein wesentliches Element von Macht-Ausübung - MR]
Dieser Logik widerspricht die unerhörte Enthüllung, die jener machte, der auf den Aventin ging um zu sehen, was dort eigentlich vor sich gehe: Die Plebejer sprechen, jeder von ihnen trägt einen Namen, ihre Beschwerden sind diskursiv artikuliert, ein Band von Versprechen verbindet sie. Sie haben bewiesen, daß sie sprechende Wesen seien, so daß es also angebracht sei, mit ihnen Verträge zu schließen und sich durch Versprechungen zu binden. Diese Enthüllung teilte die Senatoren in zwei Lager: in jene, die meinten, daß sich der Zeuge von einer Illusion täuschen ließ, daß namenlose Wesen unmöglich sprechen können, und in jene, die dem Zeugnis Glauben schenkten und darin das Ende ihrer Macht erblickten: "Wenn sie sprechen, dann ist unsere Zeit abgelaufen", sagt einer unter ihnen. Es ist der polizeilichen Ordnung unmöglich, diesem Moment der Gleichheit von sprechenden Körpern zu begegnen. Das eigentliche Moment des Politischen, jenes, das Ballanche 'Emanzipation' nennt, besteht weder in der Trennung noch im Abkommen beider Parteien. Es befindet sich genau im Dazwischen, in der Entscheidung, die sowohl die einen als die anderen zu treffen haben und die sich auf die Eigenschaft eines Körpers und auf den Namen eines Subjekts bezieht." (Jacques Rancière, Gibt es eine politische Philosophie?)
Dieser Logik widerspricht die unerhörte Enthüllung, die jener machte, der auf den Aventin ging um zu sehen, was dort eigentlich vor sich gehe: Die Plebejer sprechen, jeder von ihnen trägt einen Namen, ihre Beschwerden sind diskursiv artikuliert, ein Band von Versprechen verbindet sie. Sie haben bewiesen, daß sie sprechende Wesen seien, so daß es also angebracht sei, mit ihnen Verträge zu schließen und sich durch Versprechungen zu binden. Diese Enthüllung teilte die Senatoren in zwei Lager: in jene, die meinten, daß sich der Zeuge von einer Illusion täuschen ließ, daß namenlose Wesen unmöglich sprechen können, und in jene, die dem Zeugnis Glauben schenkten und darin das Ende ihrer Macht erblickten: "Wenn sie sprechen, dann ist unsere Zeit abgelaufen", sagt einer unter ihnen. Es ist der polizeilichen Ordnung unmöglich, diesem Moment der Gleichheit von sprechenden Körpern zu begegnen. Das eigentliche Moment des Politischen, jenes, das Ballanche 'Emanzipation' nennt, besteht weder in der Trennung noch im Abkommen beider Parteien. Es befindet sich genau im Dazwischen, in der Entscheidung, die sowohl die einen als die anderen zu treffen haben und die sich auf die Eigenschaft eines Körpers und auf den Namen eines Subjekts bezieht." (Jacques Rancière, Gibt es eine politische Philosophie?)
Kommentare
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schaake am :
Martin Reuter am :
Mit einem Pisa-Vorbehalt kommt doch nun wirklich keiner mehr weiter!
babelwahlfischchip am :
und formte hier und dort
dann kamen viele leute
und stritten um die beute
und heute?
hänschen am :