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Rückschritte im gemeinsamen Unterricht

Logo: Gemeinsam leben - gemeinsam lernen Der Elternverband „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ kritisierte heute Rückschritte im gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder. Die Grünen fordern Maßnahmen für mehr schulische Integration.
„Mit Beginn des neuen Schuljahres droht vielen Kindern wieder die Trennung von ihren Freunden, mit denen sie in den Kindergarten gegangen sind. Weil sie behindert sind und einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, droht ihnen eine Verweisung auf die Sonderschule, obwohl ihre Eltern den gemeinsamen Unterricht in der Regelschule gewählt haben. Die den Staatlichen Schulämtern zugewiesenen Lehrerstellen für den gemeinsamen Unterricht sind von 552 im Schuljahr 2003/2004 auf aktuell 522 gekürzt worden. Bei den Schülern mit Lernhilfebedarf ist der Integrationsanteil inzwischen auf unter 10%, bei den praktisch Bildbaren sogar auf unter 3% gesunken. Die schulische Integration in Hessen bleibt deutlich hinter dem Bedarf zurück“, erklärt Sibylle Hausmanns vom Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam Leben – gemeinsam Lernen“ in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Landtagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN.

„Bei uns melden sich immer wieder Eltern, die einen gemeinsamen Unterricht für ihre behinderten Kinder wünschen, von den Staatlichen Schulämtern aber die Zuweisung an eine Förderschule erhalten. Viele Eltern werden gar nicht erst über die Möglichkeiten des gemeinsamen Unterrichts informiert. Viele resignieren, weil sie keine Kraft mehr für weitere Kämpfe aufbringen können. Widerstand kann sich allerdings auch lohnen: wir haben aktuell durch einen ausführlich begründeten Widerspruch gegen die Entscheidung des Schulamtes erreichen können, dass in Kassel eine Schülerin, die zur Förderschule sollte, jetzt doch im gemeinsamen Unterricht beschult wird“, so Hausmanns.

Andreas Segbers, Vater einer Tochter mit Down Syndrom, schildert seine Erfahrungen: „Unsere Tochter Elena war mit nicht behinderten Kindern im Kindergarten. Sie lernt am besten in der Gemeinsamkeit mit anderen. Wir wollen ihr ein möglichst eigenständiges Leben ohne typische ‚Behindertenkarriere’ von Sonderschule bis Werkstatt für Behinderte ermöglichen“, erläutert Segbers. Obwohl die Familie schon vor anderthalb Jahren beim Staatlichen Schulamt vorstellig geworden sei, erfolgte die Begutachtung über den sondernpädagogischen Förderbedarf bereits im April, das Gutachten sei erst im Juni übergeben worden. „Anfang Juli fand erst der Förderausschuss statt und am 24.7. erfolgte die Zuweisung an die Förderschule. Mit dieser Verzögerungstaktik soll uns ganz offensichtlich die Möglichkeit beschnitten werden, gerichtlich dagegen vorzugehen“, so Segbers. Er sei allerdings sehr entschlossen, den Klageweg zu beschreiten, und hoffe auf die Hilfe der Gerichte.

„Unter Kultusministerin Wolff führt der gemeinsame Unterricht zunehmend ein Schattendasein. Gerade einmal 11 % der behinderten Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf werden in Hessen in die Regelschule integriert, der bundesweite Schnitt liegt bei 13 %, in Bremen sogar bei 49 %, in Berlin bei 30 % und in Schleswig-Holstein bei 27 %. Hessen ist auch hier vom Bildungsland Nr. 1 meilenweit entfert“, erläutert der behindertenpolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Andreas Jürgens.
Bundesbildungsministerin Schavan (CDU) habe kürzlich in der Antwort auf eine kleine Anfrage bestätigt, dass eine gemeinsame Beschulung von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern für alle gleichermaßen von Vorteil sein könne und die PISA-Studien klar gemacht hätten, dass bildungspolitische Konzepte stärker als bisher die individuellen Förderbedarfe berücksichtigen müssten. Der Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Menschen mit Behinderung, Hubert Hüppe, habe erst kürzlich in einer Presseerklärung hervorgehoben, dass ein natürlicher Umgang miteinander am besten gelinge, wenn bereits in Kindergarten und Schule eine gemeinsame Erziehung und Bildung stattfinde. „Hieran sollte sich Karin Wolff ein Beispiel nehmen. Es wäre dringend erforderlich,

- kurzfristig: allen behinderten Kinder den gemeinsamen Unterricht zu ermöglichen, wo die Eltern dies zum neuen Schuljahr wünschen,

- mittelfristig: die Ressourcen für den gemeinsamen Unterricht schrittweise zu erhöhen und

- langfristig: den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung zur Regel zu machen“ fordert Jürgens.

„Viele Länder kommen inzwischen ohne Sonderschulen aus, wie z.B. PISA-Spitzenreiter Finnland. Die neue UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen fordert einen möglichst weitgehenden gemeinsamen Unterricht. Hessen fällt immer weiter hinter internationale Standards zurück, wenn hier behinderte Kinder regelmäßig auf die Förderschulen verwiesen werden“, stellt Sibylle Hausmanns abschließend fest.

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Kommentare

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roland am :

Es ist leider eine traurige Feststellung, dass solche Länder, die schon die nichtbehinderten Schüler in die drei Kästchen: Gymn.-Real-Hauptschule sortieren, natürlich auch die Behinderten sauber aussortieren.
Das passt in das System Koch-Wolf.

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