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AFEE: doc 12 - ein Ereignis trifft ein zweites

Die Agentur für EreignisErzeugung war heute auf der ersten Pressekonferenz zur documenta, 12 Uhr, Stadthalle.
Pressekonferenzen sind vorhersehbar und insofern eigentlich keine Ereignisse. Wenn aber der Redakteur eines Mediums berichtet, das nicht gehetzte Texte flugs bei seiner Redaktion absetzen muss, die schon dabeigewesen sein möchte, bevor überhaupt etwas zu sehen ist - dann kann es etwas werden.
Dem Vernehmen nach jetzt 2700 Medienvertreter, aber noch nicht alle da, etliche Blitzlichtgewitter, schnell noch eine VIP vor Beginn interviewt mit dem kunstflauschigen Mikro am Galgen. Absurde Länge des Podiums mit 12 Vertretern des Sagens und Ansagens. Geschäftsführer Leifeld übergibt artig an Pressesprecherin Seefranz, die übergibt an Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzenden Hilgen. Dieser lobt programmgemäß die "bedeutendste Weltkunstausstellung", welche der Stadt ihr eigenes Zeitempfinden aufpräge (documenta - 5 Jahre - documenta usw.). Er behauptet, dass diese "bezaubernde Atmosphäre" bleibende Eindrücke hinterlässt, und lädt Buergelsch zur "sinnlichen Kollaboration" ein. Herr Staatsminister Corts - von mir aus ganz linksaußen - stellt programmgemäß die Leistungen des Landes Hessen heraus, bringt die Globalisierung ins Spiel und erwähnt diskret die 8 Millionen, die vom Land als Stütze kommen. Der ehemalige dc-Geschäftsführer und nunmehrige Vorstand der Kulturstiftung des Bundes (Farenholtz) handelt sich spontanen Beifall ein, weil er ein schlichtes und vor allem kurzes Grußwort spricht. Kuratorin Noack besticht durch ihren Pragmatismus, indem sie auf Englisch erzählt, was sich alles noch in Veränderung befindet, bevor es losgegangen ist: Versaute Katalogseiten, nicht fertig gewordene Ausstellungsobjekte etc. Als besondere Foltermaßnahme (für Journalisten) werden nun fünf Künstlerinnen und Künstler aufgerufen, ihre Erfahrungen und Absichten darzulegen: Mary Kelly, Juan Davila, Alejandra Riera, Romuald Hazoumé (spontaner Beifall bei: sein Kölsch reiche nicht aus, er werde Französisch sprechen müssen), Ahlam Shibli. (Alles dann im Katalog nachzulesen oder persönlich anzusehen.)
Nun also Buergel in seiner gewohnt charmanten und "einwandsimmunen" Art. Er habe sich die letzten Tage noch einmal, wie ganz am Anfang, überlegen müssen, "Was mache ich hier eigentlich?" Darin ist er nicht weitergekommen, weil die Ausstellung letztlich auf den ästhetischen Geist der Unentscheidbarkeit hinauslaufe: jenseits von "Identität und Differenz". In diesem Jenseits gebe es so etwas wie eine Kraft und Intelligenz, Unentscheidbarkeit auszuhalten. Dieses wiederum laufe gegen die Gewohnheit der Medien, etwas "gaumenfertig machen zu müssen", weshalb es zwischen Ausstellungsmachen und Medien eine Spannung oder "Abstoßung" geben müsse. Wie bekannt, will man sozusagen dem "Publikum" die letztliche Herstellung der Ausstellung überantworten.
Erste Fragen zum Komplex Naturwissenschaftskünstlerkoch Ferran Adrià. Das hat sich schnell erledigt, denn Buergel muss ihn zum "schweren Fall" erklären. Das reduziert sich auf den Gag, dass elBulli in Spanien zur Outsource der documenta erklärt wird. Buergel wird nach dem "Modell der kuratorischen Willkür" beliebig ausgewählte Besucher zu reservierten Tischen in Spanien schicken. Aber ganz bestimmt keine Journalisten. (Dazu wurde soeben - 17.28 Uhr- eine Extra-Presseerklärung nachgeschoben. Verschärft ausgedrückt ist das Betrug; andererseits kann man sich schlecht vorstellen, wie essbare Kunst unter Besuchermassen zu bringen gewesen wäre.) Die taz-Korrespondentin verlangt halbverkappt eine Stellungnahme zu Studiengebühren, die Buergel elegant an Herrn Corts weiterleitet, der natürlich programmgemäß uneingeschränkt bejaht. Irgendein Witzbold fragt nach der Bedeutung der Farbe von Buergel's T-Shirt. Füßescharren, Aufbruch, Danke usw.
Vor der Stadthalle demonstriert eine nette Gruppe junger Menschen mit Warntafeln, etwa: Wir sollten uns von diesem Kunst-Hype nicht irre machen lassen. "Das Dezernat für Kulturordnung und Sicherheit bringt Bürgerstolz und Stadtfrieden". Zu besichtigen auf...

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Kommentare

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wirsinds am :

sehr aufschlussreich und danke für das wunderbare 'Buergelsch' - wir mögen auch 'buergeln' ...

Helmut Fligge am :

So geht Bürgel, oh, verz. Bürgerjournalismus! mny tnx!

klaus am :

Vielen Dank für den Bericht aus dem Zentrum des medialen Erregungszustandes. Ich durfte am Donnerstagmorgen einer Veranstaltung beiwohnen, auf welcher der hess(l)iche Ministerpräsident eine Rede zum Thema Mitarbeiterbeteiligung absonderte.
Da war ich der einzige, der das Blitzlichtgewitter entfachen durfte. Auch mal schön....

Martin Reuter am :

ja, ein einzelner Mensch entfacht ein Gewitter, das ist auchmal schön und macht wahrscheinlich einen gequälten Stolz?

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