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„DAVON HABEN WIR NICHTS GEWUSST!“

GEDENKSTÄTTE BREITENAU - Eine Veranstaltungsreihe Mai – Juli 2007
„Niemand war dabei und keiner hat’s gewusst“ war die vorherrschende Reaktion vieler Deutscher auf die Frage nach der Kenntnis von Judenverfolgung und Holocaust bereits während der NS-Jahre. Zahlreiche neuere Untersuchungen zeichnen jedoch ein ganz anderes Bild. Die Veranstaltungsreihe wird sich in drei Veranstaltungen mit dem Wissen über den Holocaust befassen, und mit der Frage, wie die deutsche Bevölkerung damit umging und sich verhielt.
Auch wird thematisiert werden, dass Abwehr-, Leugnungs- und Aufrechnungsstrategien vielfach bereits 1943 begannen; teilweise als Reaktion auf einsetzende Vergeltungsängste nach einer deutschen Niederlage.
www.gedenkstaette-breitenau.de

Hier die Termine
Dienstag, 24.05.2007 19.30 Uhr
Gedenkstätte Breitenau

„Was wussten die Deutschen
vom Judenmord?“
Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933-1945

Vortrag von Prof. Dr. Peter Longerich:
Peter Longerich geht der Frage nach, was die Deutschen bereits vor Ende des Krieges vom Holocaust gewusst haben und wie ihre Einstellung zur Judenverfolgung war. Er stützt seine Untersuchung auf eine akribische Quellenschau: Er hat die geheimen NS-Stimmungsberichte zur »Judenfrage« untersucht und zusätzlich u.a. Informationen aus Tagebüchern, Gerichtsakten, Zeitungen und Wochenschauberichten zusammengetragen. Longerich weist nach, dass die Judenverfolgung im Deutschen Reich nicht nur in aller Öffentlichkeit stattfand, sondern dass das NS-Regime sogar ab Ende 1941 immer wieder gezielte Hinweise auf die »Vernichtung« der Juden gab, um so die gesamte Bevölkerung zu Mitwissern zu machen. Longerich zeigt auch auf, dass bereits 1943 nach der sich abzeichnenden Niederlage die Flucht in die angebliche Unwissenheit einsetzte, zur Legitimation für eine spätere „Stunde null“.

Peter Longerich ist Professor für Moderne Deutsche Geschichte und Direktor des "Research Centre for the Holocaust“ am Royal Holloway College der Universität London. Er veröffentlichte u.a. "Politik der Vernichtung - Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung" und "Hitler und der Weg zur Endlösung" sowie Peter Longerich: „Davon haben wir nichts gewusst!“ Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933-1945 Siedler Verlag, München 2006, ISBN 3886808432, 448 Seiten, 24,95 €


Dienstag, 05.06.2007, 19.30 Uhr
Gedenkstätte Breitenau

„Der Holocaust als offenes Geheimnis“
Vom antijüdischen Konsens zum schlechten Gewissen

Vortrag von Prof. Dr. Frank Bajohr
Die Frage nach dem Wissen der Deutschen über den Holocaust lässt sich nicht präzise beantworten, selbst die zurückhaltendste Schätzung geht jedoch von mindestens 20-25 Millionen Deutschen aus, die während der NS-Zeit von der Judenvernichtung wussten.
Bajohr fragt nicht nur nach dem Wissen, sondern auch nach dem Handeln der Deutschen. Dabei untersucht er eingangs, wie sich ab 1933 ein immer stärkerer antijüdischer Konsens herstellte. Bei seinen Untersuchungen stützt er sich nicht nur auf die viel-fältigen Stimmungsberichte, sondern ebenso auf
Lebenszeugnisse von Juden. Er zeigt auf, dass ohne den gesellschaftlichen Antisemitismus, ohne die breite Zustimmung zum NS-Regime und ohne die Möglichkeit, eine Vielzahl von gesellschaftlichen Interessen in den Prozess der Judenverfolgung einzubringen, diese nicht in dieser Dimension verlaufen wäre. Für die zweite Kriegshälfte weist Bajohr nach, dass neben Indifferenz und demonstrativem Nichtwissenwollen verstärkt ebenso Bestrafungserwartungen und Vergeltungsängste auftraten.
Die Frage des Wissens war zudem von Anfang an verbunden mit Strategien der Leugnung und der impliziten Selbstrechtfertigung.

Frank Bajohr, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Zuletzt erschien von ihm: „Unser Hotel ist judenfrei. Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert.“

Dienstag, 03.07.2007, 18.30 Uhr
Gedenkstätte Breitenau

„Was wussten die Alliierten vom Holocaust?“
Vortrag von Dr. Dieter Pohl
Dieter Pohl wird sich mit der Frage befassen, ob die internationale Öffentlichkeit von den Massenmorden an den europäischen Juden wusste und wie die Alliierten, aber auch die NS-Führung, darauf reagierten. Die Alliierten hatten anfänglich kein umfassendes Gesamtbild von den nationalsozialistischen Verbrechen. Bei der Darstellung der Medien stand, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Exilregierungen, das Schicksal der nichtjüdischen Verfolgten, insbesondere der Westeuropäer, der Polen und Tschechen im Vordergrund. Die Einzigartigkeit des Mordes an den Juden trat erst im Sommer 1942 deutlich hervor. Trotz der frühen Kenntnis blieb die Zahl der Rettungsaktivitäten für die verfolgten Juden jedoch bis ins Jahr 1943 erstaunlich gering. Auch danach dominierte die Argumentation, man müsse erst den Krieg gewinnen und könne dann erst den Juden helfen.
Dr. Pohl zeigt ferner, wie die NS-Führung auf die zunehmende weltweite Verbreitung des Wissens über den Holocaust reagierte und wie insbesondere bei den traditionellen Institutionen des NS-Staates bereits 1943 insgeheim die Suche nach einer Verteidigungsstrategie für die Nachkriegszeit begann.
Dieter Pohl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte in München. Zuletzt erschien von ihm „Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit.“


Die Veranstalter der Reihe „Davon haben wir nichts gewusst!“:
Gedenkstätte Breitenau in Kooperation mit
„Arbeit und Leben – Nordhessen“ , „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, „Deutsch-Israelische Gesellschaft“ und der Volkshochschule Schwalm-Eder.
Mit freundlicher Unterstützung durch die Firma B. Braun Melsungen und die Kulturstiftung der Kreissparkasse Schwalm-Eder

Veranstaltungsplanung und Information: Horst Krause-Willenberg – Tel.: 05665-3533
www.gedenkstaette-breitenau.de

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