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Documenta 14: Das Allerhöchste

Motto: Repräsentative Demokratie - von Ferne - So sieht man sie doch gerne!
Jeder Anfang hat einmal ein Ende.
Dazu erstmal Herumstehen.
Das Präliminarium wurde gestern um 10 Uhr jäh beendet durch eine Top-Eröffnung. Jedes Land und jede Stadt braucht einen Führer, einen Großen Vorsitzenden, einen Präsidenten - hier waren es gleich vier. In abgleitender Reihenfolge: Prokopis Pavlopoulos, Frank-Walter Steinmeier, Volker Bouffier, Bertram Hilgen. Jeweils garniert mit den passenden Gattinnen. Vorfahrt mit diesem Tonalarm und Blaulichtern auf den schwarzen Karossen (die Ausnahme der Grieche...), wie man sie aus dem Fernsehen kennt.
Es wird schon ernster
Der documenta-Präsident Adam Szymczyk stand eher ein bisschen wie nicht eingeladen dabei.
Das war also die 100%-Prominenz, die weiträumig vorm Volk abgeschirmt und von ihm eingekesselt war, vom bunten Völkchen der Polizisten und Polizistinnen vielfach beiderseitig geschützt. Auf den Dächern mehrere Scharfschützen, am Himmel ein Hubschrauber kreisend, dem kostbaren Lebensgut entsprechend. Dazu passte die Fridericianums-Giebel-Aufschrift "Being Safe Is Scary" bestens.
Ich hatte nun in meiner Naivität gehofft, wieder einige Reden zu hören, wurde aber sehr enttäuscht. Nachdem man sich auf dem roten Teppich für die Fünfachtelprominenz der Medien präsentiert hatte, verschwand man im Innern. Man darf auch lernen, dass "Eröffnungen" exklusiv, im closed shop erfolgen. Und eben repräsentativ, d.h. die einen machen das für die anderen.
(Es gibt übrigens zwei Medienprominenzen: solche, die hinterm roten Bändel auf Abstand bleiben müssen,
Medienmeute, eingezäunt
und einige solche, die ganz nah randürfen. Die Ergebnisse solcher Ferne- und Nähe-Erlebnisse stehen ja bereits online: dort sich informieren.)
Es gab noch eine Drittelspominenz: Unter den Säulen hatten sich in Gruppen von A-D die Minderbedeutenden aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik pulkartig versammelt.
Menschensammlerinnen, Vorstadium
Man marschierte nach dem Verlust der Hundertprozentigen geschlossen ab; dem Vernehmen nach zu irgendeiner Tafelei.
Ich hörte nun das ausgekesselte Volk die Polizisten fragen, wann man denn nun hineinkönne? Das wussten sie nicht, "vielleicht so 11 oder 12 Uhr." Sie waren ja nun auch keine Museumsführer. Ich musste fragen, ob ich auch wieder raus dürfe? Ja.
(Kurze Nachbemerkung zu meinen Bildern: Ich habe mir erlaubt, nach dem Muster der Situationisten aus Geratewohl einige Pocket-Shots beizusteuern. In der richtigen Berichterstattung wird man das alles erstklassig superscharf überbildert sehen: Bitte dort sich überfluten lassen! - Sogar der Scharfschütze über unseren Oberhäuptern ist scharf geschossen!)

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Kommentare

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Marlis Cavallaro am :

Eindrucksvolle Wiedergabe. Als wäre ich dabei gewesen. Was ich nicht war, denn morgens in die Stadt zu dackeln, um ausgekesseltes Volk zu sein, war nicht so attraktiv wie Frühstück mit Ei und Vogelgesang auf dem Balkon.
Nachmittags herrschte hingegen Volksfestatmosphäre rund ums Parthenon der Bücher - allerdings ist man in front of auf der Königsstraßenseite dermaßen von Buden eingekesselt, dass das Riesenobjekt den Blick nicht fesselt.
Man sieht es nämlich nicht, wenn man dort sitzt.

klaus baum am :

Hat der Bundespräsident die documenta eröffnet oder wurde sie ihm eröffnet oder wurde ihm dort etwas eröffnet?

Interessant auch, wie im Laufe diverser documenta-Ausstellungen Prominente angereist sind. Der ehemalige hessische Ministerpräsi Wallmann kam mit dem Hubschrauber und landete auf der Aue-Wiese, Roland Koch fuhr im Luxus-Bus mit seiner Crew direkt vorm Fridericianum vor, jedenfalls gilt für die Prominenz: wir sind Jupiter und wir erlauben uns, was wir euch verbieten. Wir stehen über dem Gesetz.

klaus baum am :

Nachtrag: Wallmann war documenta 8, 1987, und Koch documenta 11, 2002.

MR am :

Sicher eine reizvolle Sache, die Eröffnungs-Anreisarten der Oberhäupter mit dem Charakter der documenten zu korrelieren (sofern der überhaupt summarisch zu ermitteln wäre). Auch wird sich historisch in der Inszenierung des Spektakels einiges geändert haben. Es wird wohl die Verschiebung einer nötigen Symbolisierung des Verhältnisses von (Staats-)Oberhaupt und Kunst auf die reine "Ökonomie der Aufmerksamkeit" (Georg Franck) stattgefunden haben. Die Prominenz also als das wesentliche "Kapital". Insofern widerspreche ich der These,es finde hier ein Stehen über dem Gesetz statt. Vielmehr berührt das Gesetze überhaupt nicht. Hier walten die Inszenierungen im Rahmen einer wohlgestalteten Gesellschaft und Macht.

klaus baum am :

https://www.hna.de/kultur/documenta/documenta-2017-in-kassel-liveticker-zur-eroeffnung-8390899.html

Das ausgegrenzte Publikum

MR am :

Das hinnehmende, statusquofördernde, dadurch sich selbst ausgrenzende Publikum...

Marlis Cavallaro am :

Beachtenswerte Modulation ;-) - "Status quo
hinnehmend und dadurch sich selbst ausgrenzend".
Meinst Du mit Status quo die Absperrung oder die allgemein seiende Weltlage...?

MR am :

Das ist nicht so unkompliziert. Die meisten Menschen unserer stratifikatorischen und damit hochmütigen Mittellage beklagen, dass die Massen zu doof sind, um ihre Manupulierbarkeit und ihren "Konsumismus" zu erknennen. Stattdessen werbe ich dafür, dass da eine gesunde Attraktivität vorliegt. UNd dass es kein plausibles Gegenmodell gibt. Bis dann dürfen die einen auf die anderen herabsehen!

klaus baum am :

Mit dem Begriff "repräsentativ" habe ich so meine Probleme. Ein Bundespräsident, ja, sogar schon ein Abgeordneter, repräsentiert die Bürger. Wenn der Politiker einen Staatsakt zelebriert, wie Steinmeier die documenta-Eröffnung, dann wird ihm ein großes Flugzeug zur Verfügung gestellt, und er wird zur documenta kutschiert, karossiert. Repräsentiert mich, uns? Ich bin mir nicht sicher. Wenn ich einen Druck auf der Blase habe, wenn ich pinkeln muss, geht Steinmeier für mich ja auch nicht aufs Klo, und er kann das nicht, selbst wenn er wollte. Ich muss selber gehen.

MR am :

ME ist die Frage der Repräsentativität hinlänglich beantwortet: Dieses Konzept ist kaputt, weshalb ich immer auf eine "kommende Demokratie" (Derrida) hinausmöchte. Für die Litaneien, wir hätten die ultimative poltische Form (zB Fukuyama), gibt es inzwischen genügend Gegennachrichten, etwa unter dem Stichwort "Postdemokratie" (bevor man eine hatte!) Athen? Ein Patriziat mit Hilfspersonal. USA-Verfassung? "Politische Repräsentation als ein von englischen Aristokraten, amerikanischen Landbesitzern und französischen Juristen erdachtes System…" (Manin, Kritik der repräsentativen Demokratie) Desorientierend die Basisdemokraten, die meinen, durch Verbesserungen zu "mehr Demokratie" (Brandt) kommen zu können. Sie setzen voraus, was es noch gar nicht gibt. Viele Hoffnung verbrennen da.
Dear Mr. Fantasy!

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