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Der Künstler und der Hundemann

Es war mal wieder soweit: Das genetische Vermächtnis hatte seinen Besuch angekündigt und der Hundemann machte sich auf den Weg, selbiges am Fernbahnhof persönlich zu empfangen.
Als er schon in der Bahn sitzt erreicht ihn die Kurzmeldung: "Denke, ich bin so zehn nach sieben da." Will heißen, der Hundemann wird eine gute halbe Stunde zu früh sein. "Egal. Setze ich mich ins Eiscafé und nehme ein gepflegtes Kaltgetränk", denkt er sich.
Am Ice-Bahnhof angekommen, muss er feststellen, dass das Eiscafé gerade renoviert wird. Pustekuchen.
Er geht zum Gegenüberliegenden Café. Dessen Aussenbestuhlung ist schon dezent zusammengekettet, nur an zwei Tischen sitzen noch Gäste.
Wir schreiben Freitag, kurz nach 18.30 Uhr! Aber die Café-Damen lassen sich nicht beirren. Sie warten ab, dass auch diese Gäste gehen, denn auch sie wollen irgendwann nach Hause, wie sie sagen.
"Okay, ihr habt es so gewollt", denkt der Hundmann, kettet das Mini-Raubtier fest und macht sich auf, um im (noch geöffneten!) Supermarkt ein kühles Blondes zu erstehen.
Das wiederum gibt's heute nur in Dosenform. Auch egal.
Mit Dosenbier und Hundekind setzt sich der Hundemann auf eine Bank auf dem Bahnhofsvorplatz. Um der Desorientierung vorzubeugen, kurze Meldung ans Vermächtnis: "Sitze vor'm Bahnhof bei den Trinkern :-)".
Mit selbigen ist der Kontakt mir nichts, dir nichts hergestellt. Einer der Jungs hat auch einen kleinen Hund dabei und so entwickelt sich schnell ein Gespräch.
Das Hundemann-Gegenüber ist sehr aufmerksam. Fürsorglich stellt er dessen tierischen Begleiter eine kleine Plastikschüssel hin und füllt aus der mitgebrachten Blechflasche ein bisschen Wasser ein.
Der Hundemann, selbst nicht so perfekt ausgestattet, bedankt sich herzlich.
Hundemann und Hundekind sind bestens versorgt. Prost.

Während der Hundemann sein kühles Blondes genießt und die Szenerie beobachtet, hält ein Radfahrer nehmen ihm. "Grüß dich", sagt der zum Hundemann. Ein Bekannter aus dem früheren Kiez. Künstler.
Der Hundemann freut sich, der Künstler setzt sich neben ihn auf die Bank.
Die beiden fangen an zu erzählen. Über dies und jenes und natürlich über die (Lebens-)Künste. Der Künstler berichtet, er werde bald 70. Der Hundemann denkt: "Mann, sieht der Kerl noch vital aus", und sagt ihm das dann auch.
Der Künstler fährt viel Rad und spielt Tennis. Und er ist noch voller Ideen.
Nach einer kleinen Weile des Erzählens – der Künstler wollt eigentlich eine Kleinigkeit Essen gehen – sagt er: "Weißt du was, ich hole mit jetzt auch ein Bier. Bis gleich."
Mit einer Dose Starkbier und einer Tüte Chips kommt er zurück.
Essen gehen light, sozusagen.
Er macht sein Bier auf, reisst die Tüte Chips auf und hält sie dem Hundemann hin. Der greift gern zu und so sitzen die beiden Herren auf ihrer Bank, trinken Bier, essen Kartoffelchips und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein.

Hin und wieder kommen Passanten an den beiden vorbei und gucken etwas despektierlich.
Aber auch ein sehr akkurat gekleideter Mittfünfziger sucht das Gespräch mit dem Hundemann und erkundigt sich nach der Rasse des Tieres. Sehr beliebte Frage in diesem Zusammenhang: "Ist der aus Spanien?"
Der Hundemann hat keine Ahnung, wie Hunde ins Spanien aussehen und sagt dann immer: "Nee, das ist eine solide Mischung aus Lohfelden."
Der gut gekleidete Mann bedankt sich für das kurze Gespräch und macht sich auf zum Zug.
Apropos Zug: Das genetische Vermächtnis ist mittlerweile eingetroffen, umarmt den Hundemann, begrüßt das Hundekind, das in Wirklichkeit schon eine alte Hundedame ist, und setzt sich auf einen dieser gestalteten und mit Keramik verkleideten Betonklötze, die auf dem Bahnhofsvorplatz ihre temporäre Heimat gefunden haben.
Den Künstler kennt der junge Mann auch noch aus seiner Jugend und also gibt es auch da nach der Begrüßung reichlich Anknüpfungspunkte.

"Schade, dass das Bier schon alle ist", denkt der Hundemann, "sonst ließe es sich hier noch gut eine Weile sitzen."
Aber der junge Reisende und der Hundemann beschließen dann, erstmal im trauten Heim den Reiseballast abzuwerfen und dann weiterzuschauen, was dieser Freitagabend noch so auf Lager hat...

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MR am :

LIeber Klaus, warum muss man seine Brut eigentlich verschämlichen?

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