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Wir sind spitze! Wir sind Welterbe!

Kassel in Nordhessen? Die meisten kennen diese Unstadt als Autofahrer, eine Stadt im Kessel, bevor man, wenn man vom Norden der Republik in den Süden, wieder in die Berge muss oder umgekehrt, wahnwitzige Autobahnkurven die Berge runterkommend, in den Norden muss. Oder als Bahnfahrer, wenn man an einem der hässlichsten, unbequemsten und unpraktischsten Bahnhöfe der Republik um-, aus-, oder einsteigt.

Die einmal als westlichste Stadt der DDR titulierte Ansiedlung steht in einer Reihe mit einem Flecken in Nordkorea und im Iran. Der Anlass, ein gleichsam verrückter aber gemäßigter Wir sind spitzePräsident? Ein fast unbenutzter Flughafen? Eine Einheitspresse? Eine fest an der Seite des Antiimperialismus stehende Bewegung? Nein, Weltkulturerbe!
Die Nordhessische Einheitspresse jubiliert: „Wir sind Weltklasse!“ „Wir sind Weltkulturerbe!“. Dabei ist das Ensemble aus Bergpark, Schloss, Wasserspielen und Herkulesmonument dazu erklärt worden und nicht der Kasseler Bewohner, seine Stadt und seine Zeitung. Der Kasseler, ein Menschenschlag, der sich heute noch damit brüstet, an keiner Völkerwanderung teilgenommen zu haben, - nur als ein Landesfürst mangels Geld, um seine teuren Bauten zu finanzieren, Hessen an die Engländer für ihren Krieg nach Nordamerika verkaufte, kam es dazu, was man Horizonterweiterung nennen könnte. Bewohner, die eine graue Masse namens Weckewerk und getrocknete Würste zur kulinarischen Meisterleistungen erklären und ein Bier brauen, dass in kritischer Selbsteinschätzung gelegentlich Kasseler Ekelpils genannt wird und die stolz darauf sind, einen Dialekt zu sprechen, der Frauen zu Sachen macht und in dem Konversation "schnuddeln" genannt wird.

Der Bergpark, dass Schloss, der Herkules alle haben Jahrhunderte außerhalb Kassels gelegen und wurden erst durch Eingemeindung der westlich Kassels gelegenen Dörfer und der Errichtung eines Stadtviertels namens Wilhelmshöhe zum Bestandteil der Stadt Kassel.

Nichts desto trotz, die Kasseler und ihre Presse sehen sich, gemeinsam im Größenwahn in eine Reihe mit New York, der chinesischen Mauer oder den Cheopspyramiden gestellt.
Aber was hat das mit den Menschen zu tun, die in Kassel wohnen? Sind sie der Bergpark? Gehen sie zum Wasser-Lassen an den Herkules, um es die Kaskaden herunterplätschern zu lassen? Gewiss ihre Steuergelder fließen zum Teil dorthin, um dieses Gelände und die dazugehörigen Gebäude zu erhalten, auch um dort, weil es ja ein Park ist, Parkplätze zu errichten, eine breite Straße gen Herkules zu unterhalten …

Scheiß drauf, Kassel hat jetzt etwas, mit dem geprotzt werden kann, hat etwas um sich bedeutungsschwer nicht nur Dokumenta-Stadt, Brüder-Grimm-Stadt, Fieseler-Storch-Stadt oder Freisler-Stadt zu nennen, nein, sie kann jetzt an die Schilder der lärmumtosten Ausfallstraßen und am "Flughafen" den Zusatz Welterbe anhängen. Bleibt abzuwarten, ob nicht die Wilhelmshöher der Idee verfallen, dem Separatismus zu frönen. Warum sollten sie, mit einem eigenem Fernbahnhof, mit wohlhabenden Bürgern, mit Biomarkt und anthroposophischen Zentrum ausgestattet und fast ohne SPD, den Hungerleidern aus dem Osten der Stadt zur unverdienten Ehre verhelfen?

Kassel - ohne Wilhelmshöhe, dann nur noch mit einem Sackbahnhof ausgestattet, würde vom Fernverkehr abgehängt, wäre wieder das, was ihr zugehört: Eine Stadt der Provinz, dafür mit einer 6-spurigen Autopiste durch einen, einst der größten innerstädtischen Plätze, mit zwei gigantischen Silberklötzen an zwei weiteren ehemals schönen aber filigraneren städtischen Plätzen ausgestattet, östlich umringt von den Rennpisten die einst ein Adolf anlegen ließ, einer Müllverbrennungsanlage und einem Flüsschen namens Fulda mit dem man per Paddelboot den in den Bergen gelegenen Bischofsitz Fulda erreichen kann - und dort, wo die Müllverbrennungsanlage steht, direkt unter einer Autobahnzubringerbrücke und an einer stinkenden Klärgrube, dort ist der Platz für die Sinti und Roma – die dort, wenn sie ihre maximal geduldete aber kostenpflichtige Zeit abgesessen haben wieder weitergeschickt werden, auf die will die Welterbestadt geeint oder getrennt immer verzichten.

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Kommentare

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MR am :

Junge Junge, das ist aber mal ein anständiger Zorntext!

Mehmank Gönicke am :

Als Konsequenz folgt eine kleine Modifizierung von Stadtteilnamen: Good Wilhelmshöhe - Baddenhausen. Man will ja dem Rest der Welt keinen falschen Eindruck vermitteln...

Schreiber am :

Wir waren ja auch Papst! So what?

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